Juli bis September 2025

Archaeopteryx

 

Auf den Spuren der Vögel

Wir wissen heute, dass Vögel zu den Theropoden zählen, einer Gruppe zweibeiniger Raubdinosaurier, die berühmte Vertreter wie Velociraptor hervorgebracht hat. Über einen Zeitraum von Jahrmillionen müssen sich also aus den am Boden jagenden Zweibeinern flugfähige Vögel entwickelt haben. Während dieser Entwicklung hat es Tiere gegeben, die Merkmale sowohl von Dinosauriern als auch von Vögeln trugen. Sie stellen sozusagen einen evolutionären Schritt auf dem Weg zum modernen Vogel dar. Hier kommt Archaeopteryx ins Spiel: Er vereint Merkmale von Reptilien und Vögeln in sich, was den ersten Fund im Jahr 1861 zu einer wissenschaftlichen Sensation machte. Zwei Jahre zuvor nämlich veröffentlichte Darwin seine Evolutionstheorie, in der er ein genau solches „Mosaiktier“ vorhersagte. Nach dieser Theorie, die heute unter Forschenden als gesicherte Tatsache gilt, sind alle Arten auf der Erde miteinander verwandt und verändern sich schrittweise über lange Zeiträume durch natürliche Auslese. Darwin sah die „Mosaiktiere“ als Beweis für die Verwandtschaft der verschiedenen Gruppen im Tierreich. Zu diesen gehört auch unser Archaeopteryx [1].

 

Das Karlsruher Exemplar

Unser Exemplar ist das 14. bestätigte Fossil von Archaeopteryx weltweit. Es wurde 2019 von einem Privatsammler im Besuchersteinbruch Schaudiberg in Mühlheim bei Mörnsheim entdeckt und noch im selben Jahr unter finanzieller Mithilfe der „Freunde des Naturkundemuseums Karlsruhe e.V.“ erworben. Erst im Januar 2025 identifizierten Forschende der Universität Rostock und des Karlsruher Institut für Technnologie (KIT) den Fund als Archaeopteryx. Die im Fossil nicht überlieferten Federn hatten die Identifikation zuvor erschwert. Durch eine dreidimensionale Computertomografie gelang es erstmals, das Innere der Knochen sowie die bisher verborgene Unterseite des Fossils sichtbar zu machen. Seit der genauen Analyse gilt das Karlsruher Exemplar als das jüngste bislang bekannte Exemplar von Archaeopteryx. Der Fund belegt, dass diese Gattung etwa 700.000 Jahre lang existierte, also deutlich länger als bisher angenommen [2]. Die vollständige Veröffentlichung zum Karlsruher Exemplar ist in englischer Sprache hier einsehbar: https://fr.pensoft.net/article/131671/.

Die erste Präparation unseres Exemplars fand in Creuzburg statt, während die anspruchsvolle Nachpräparation des Schulterbereichs bei uns im Hause von unserem geologischen Präparator Tim Niggemeyer durchgeführt wurde.

Das Skelett umfasst den rechten Flügel und die Schulter sowie Fragmente des linken Flügels und beider Hintergliedmaßen. Der charakteristische Schultergürtel erlaubte den Forschenden eine endgültige Identifikation: Gabelbein (Furcula) und Rabenbein (Coracoid) haben eine vergleichbare Form wie andere Funde von Archaeopteryx. Abb. 1 zeigt diese Merkmale am Beispiel eines heutigen Uhus. Auch Oberarmknochen (Humerus) und Speiche (Radius) sowie eine Kralle (Ungula) konnten aufgrund ihrer Morphologie Archaeopteryx zugeordnet werden [3].  

Archaeopteryx weist mehrere Merkmale auf, die man den Reptilien zuordnet. Hierzu gehören ein bezahnter Kiefer, ein verknöcherter Schwanz und Krallen an den Extremitäten. Hier ähnelt Archaeopteryx dem kleinen Raubdinosaurier Compsognathus longipes (Abb. 2),der zeitgleich mit Archaeopteryx lebte und früher sogar mit diesem verwechselt wurde [3]. Zwar hatte Archaeopteryx Federn, die den Auftrieb unterstützen, aber seine Flugmuskulatur war für einen aktiven Flug vermutlich zu schwach. Belege hierfür liefert der sogenannte Brustbeinkamm, eine Ansatzfläche für die Flugmuskeln, die bei heutigen Vögeln wie dem Uhu stark ausgeprägt ist (Abb. 1). Der Brustbeinkamm von Archaeopteryx hingegen bot schlicht keine Ansatzfläche für einen muskulösen modernen Flugapparat. Archaeopteryx war sozusagen „flachbrüstiger“ als moderne Vögel [4].

 

Quellen:

1: Hecht, Max, Ostrom, John, Viohl, Günter und Wellnhofer, Peter (1984). The Beginning of Birds – Proceedings of the International Archaeopteryx Conference Eichstätt.

2: https://www.ips.kit.edu/2786_7002.php am 24.06.2025

3: Foth, Christian, van de Kamp, Thomas, Tischlinger, Helmut, Kantelis, Theron, Carney, Ryan, Zuber, Marcus, Hamann, Elias, Wallaard, Jonathan, Lenz, Norbert, Rauhut, Oliver und Frey, Eberhard (2025). A new Archaeopteryx from the lower Tithonian Mörnsheim Formation at Mühlheim (Late Jurassic). Fossil Record. 28. 17-43. 10.3897/fr.28.e131671.

4: Bock (2013). Paleontological Journal. The furcula and the evolution of avian flight. https://link.springer.com/article/10.1134/S0031030113110038