Oktober 2020 bis Juni 2021

Gewöhnliche Glücksspinne
(Erigone atra)

In kleinen mit Alkohol gefüllten Glasröhrchen lagert unsere wissenschaftlich wertvolle Sammlung der Spinnen (Araneae) mit über 17.000 Belegen von etwa 2.000 Spinnenarten. Alle Daten zu diesen Belegen sind in einer modernen Datenbank erfasst und für die Forschung verfügbar.
Spinnen sind in allen Landlebensräumen anzutreffen und spielen als effiziente Räuber in vielen Ökosystemen eine wichtige Rolle. In vielen Lebensräumen leben über 150 Spinnen pro Quadratmeter. Sie erbeuten vor allem Insekten, aber auch andere Arthropoden (Gliederfüßer), Spinnen eingeschlossen. Neueren Hochrechnungen zufolge verzehren Spinnen weltweit 400- 800 Millionen Tonnen an erbeuteten Tieren pro Jahr [6].

Hier stellen wir eine der häufigsten einheimischen Spinnenarten vor: die Gewöhnliche Glücksspinne, mit wissenschaftlichem Namen Erigone atra Blackwall, 1833. Sie ist eine Zwergspinnenart, die zur Familie der Baldachinspinnen (Linyphiidae) gehört. Mit 1,8 – 2,8 mm Körperlänge sind die Spinnen tatsächlich winzig. Sie sind dunkelbraun bis fast schwarz gefärbt und nur an ihren besonders geformten Geschlechtsorganen von anderen Zwergspinnenarten sicher zu unterscheiden.

Wie alle Baldachinspinnen weben Glücksspinnen dichte, meist in Bodennähe horizontal aufgespannte Fangnetze, unter denen sie sich aufhalten und auf Beute warten. Meist nimmt man diese baldachinförmigen Netze erst wahr, wenn sich der Morgentau in ihnen sammelt. Die Spinnen verwenden ihre Spinnseide keineswegs nur zum Bau von Fangnetzen, sondern spinnen Sicherungsfäden, wickeln in Spinnseide ihre Beute ein oder schützen ihre Eier in einem seidenen Kokon [1]. Viele lassen sich auch mit Hilfe eines Fadens durch die Luft tragen, um neue, weiter entfernte Lebensräume zu besiedeln. Diese Fortbewegung wird auch „Ballooning“ genannt [2]. Bei passenden Wetterbedingungen klettern die winzigen Spinnen auf Erhöhungen wie im Grashalme, auf Sträucher oder auch auf Zaunpfähle und lassen aus dem nach oben gereckten Hinterleib einen Spinnfaden austreten. Dieser Flugfaden wird immer länger, bis schließlich der Wind oder aufsteigende Warmluft die Spinne davonträgt. Dabei können sie in beträchtliche Höhen von über tausend Metern [2] getragen werden und mehrere hundert Kilometer weit fliegen. Inzwischen weiß man, dass Spinnen Höhe und Flugdauer durch die Länge ihres Fadens beeinflussen können [4]. Besonders im Spätsommer schweben junge Spinnen zu Tausenden durch die Luft. In dieser Zeit landen sie manchmal auch auf uns Menschen. Im englischen Sprachraum sagt das finanzielles Glück voraus, weshalb sie dort money spiders (Geld- oder Glücksspinnen) genannt werden [5]. Bei uns geben die vielen Fäden, die an weißes Haar erinnern, dem Altweibersommer den Namen. Im Unterschied zu vielen anderen Spinnenarten fliegen bei vielen Zwergspinnen nicht nur die Jungtiere, sondern auch die erwachsenen Spinnen, um in neue Lebensräume zu gelangen. Viele überleben aber ihre Reise nicht, weil sie im Wasser oder in anderen ungeeigneten Lebensräumen landen. Trotzdem können Spinnen durch Ballooning als eine der ersten Tiergruppen durch Überschwemmungen, Brände oder Vulkanausbrüche neu entstandene Lebensräume besiedeln [1].


Weiterführende Links:

Quellen:

[6] Nyffeler, M. & Birkhofer, K. (2017): An estimated 400–800 million tons of prey are annually killed by the global spider community. – The Science of Nature 104: 1-30, DOI 10.1007/s00114-017-1440-1.