Flechten - unscheinbare wichtige Doppelwesen

Was sind Flechten? Welche Gruppen von Flechten gibt es und wie unterscheiden sie sich untereinander? Schädigen Flechten die Bäume, wenn sie an ihnen wachsen? 

Dies und weitere Informationen über das Wachstum, Vermehrung und deren Gefährdung erfahren Sie hier.

Weiter unten finden Sie in „Einteilung in Wuchsformen'' Bilder zu verschiedenen Flechtenarten.

Wenn Sie noch mehr zu diesem Thema wissen wollen, finden Sie weiterführende Literatur im Quellenverzeichnis.

- Autor: N. Wehner. Bundesfreiwilliger in der Botanik -

Allgemeines:

Flechten bestehen aus zwei Organismen. Einem Pilz und einer Grün- oder Blaualge (Cyanobakterien). Sie sind somit keine Pflanzen im engeren Sinne. Die Kombination aus einem Pilz (keine Pflanze) und einer Alge (Pflanze) könnte man Mischpflanze nennen. Cyanobakterien sind keine Pflanzen, weshalb die Kombination mit einem Pilz ebenfalls keine Pflanze ist.

Der Pilz und sein Partner leben zusammen auf einem Substrat (Gestein, Humus, Rinde). Der Pilz erhält von dem Partner, der Fotosynthese betreibt, energiereiche Kohlenhydrate und im Gegenzug liefert der Pilz Wasser und Mineralsalze aus dem Untergrund und bildet Pigmente, die die Algen/Bakterien vor zu starker UV-Strahlung schützen. Die Mineralstoffe gewinnt die Flechte, in dem sie eine Säure bildet, die beide Partner nur zusammen herstellen können. Alleine würde dieses Produkt nicht entstehen. Die Symbiose kann ebenso wieder aufgelöst werden, wenn sich die Umweltbedingungen für einen der Partner so verbessern, dass er alleine besser überleben könnte. Der andere Partner würde meistens absterben.

Benennung:

Der namensgebende Teil ist der Pilz der jeweiligen Flechte, der den Hauptbestandteil bildet und die Wuchsform und Struktur maßgeblich bestimmt. Meistens sind dies sogenannte Schlauchpilze.

Ausbreitung und Wachstum

Standort:

Flechten wachsen an Rinde, Blättern, Felsen, Trockenmauern oder auf dem Boden. Wenn die Bedingungen für andere Pflanzen besser werden, können sie rasch von schneller wachsenden Pflanzen, wie Moose und Blütenpflanzen, verdrängt werden.

Ausbreitung/Vermehrung:

Ebenso wie Moose und Farne breiten sich Flechten nicht über Samen, die in Blüten enthalten sind, aus, sondern über Sporen des Pilzes (sexuelle Vermehrung). Die Sporen werden in den Fruchtkörpern des Pilzes gebildet (Bild 1). Wenn die Sporen auf einem geeigneten Untergrund auftreffen und die passende Alge vorhanden ist, bilden die beiden Organismen eine Flechte. Die vegetative Vermehrung geschieht über sogenannte Isidien und Soredien. Dies sind Auswüchse an der Thallusoberfläche, die abgegeben werden und eine neue Flechte bilden können. Diese neue Flechte ist allerdings ein Klon der “Mutterflechte“.

Wachstum und uralt:

Flechten wachsen im Vergleich zu Moosen und Blütenpflanzen sehr langsam. Manche nur wenige Millimeter bis einen Zentimeter pro Jahr. Sie können mehrere hundert bis tausend Jahre alt werden. Damit gehören sie zu den langlebigsten Lebewesen der Erde. Ebenso wie Moose können sie längere Trockenperioden “im Schlaf“ überleben und bei steigender Feuchtigkeit mit der Fotosynthese beginnen und weiter wachsen.

Vorteile für das Ökosystem

Flechten als Erstbesiedler:

Sie gelten wie Moose als Pionierorganismen. Das heißt, sie kommen an extremen Standorten vor, wo wenige bis keine anderen Pflanzen überleben. Zum Beispiel karge nährstoffarme Felsen wie in Bild 1 zu sehen. Auf Stein löst die Flechte mit der von ihr gebildeten Flechtensäure Mineralsalze heraus und zersetzt den Stein über die Zeit. So bildet sich eine erste Bodenschicht, die Wasser aufnehmen kann. Auf dieser können sich weitere Pflanzenarten wie Moose, aber auch erste Blütenpflanzen ansiedeln. Über die Zeit werden die Flechten verdrängt, da sie den konkurrenzstarken Pflanzen nicht gewachsen sind.

Keine Parasiten:

Flechten sind keine Parasiten und schaden dem Baum nicht. Sie können ihn sogar vor Bakterien und Pilzen schützen.

Sie dringen nicht in den lebendigen Teil des Baumes (Kambium) vor, sondern sitzen auf der äußersten Schicht, der Rinde auf. Genauer gesagt die Borke. Dies ist eine Schutzschicht des Baumes und beinhaltet für den Baum keine wichtigen Stoffe, die die Flechte rauben könnte. Sie löst aber aus dem Substrat, wie die Rinde, Nährstoffe heraus, die sie verwenden kann. Die Flechtenarten sind auf verschiedene Untergründe angepasst und benötigen saure oder basische Untergründe. Baumrinden können sowohl basisch als auch sauer sein. In Bild 2 ist ein Baum im Nymphengarten hinter dem Museum zu sehen, der mit zahlreichen Flechten- und Moosarten bewachsen ist. 

Nicht zuletzt stellen auch Flechten einen eigenen Lebensraum für Tiere dar.

Gerne können Sie dazu das bereits verfügbare Video ansehen, wo Dr. Josef Simmel eine Frage einer Besucherin beantwortet. ,,Was wächst da auf meinem Apfelbaum und schadet das dem Baum?''

Flechte als Indikator

Da Flechten, ebenso wie Moose, Stoffe in ihre Zellen einlagern ohne sie abzubauen, können sie als Indikator für diverse Stoffe im Boden und Luft benutzt werden und sind mit bestimmten Methoden nachweisbar.

Dabei geht es unter anderem um Schadstoffe wie Schwefeldioxid. Mehr dazu im Abschnitt ,,Gefährdung und Schutz''. Aber auch wie sauber die Luft ist. In Gebieten mit hohen Schadstoffbelastungen existieren keine Flechten. So können Gebiete mit vielen Flechtenarten für eine gute Luftqualität stehen. Auch können Flechten dazu dienen, um festzustellen, welche Bodenstoffe vorherrschen. Flechten sind an ihren Untergrund spezialisiert. Jede Art benötigt eine andere Zusammensetzung des Untergrundes, aus dem die Flechte Nährstoffe gewinnt. So können Flechten säure- und stickstoffhaltige Böden anzeigen. 

Gefährdung und Schutz

Gefährdung:

Flechten reagieren wie Moose sehr empfindlich auf veränderte Umweltbedingungen. 

Flechten nehmen Nährstoffe ungefiltert aus der Luft auf. Sie lagern alle Stoffe, ohne sie abzubauen, in die Zellen ein. Somit reichern sich Schadstoffe immer weiter an, bis die Konzentration in den Zellen zu hoch wird und die Flechte abstirbt. Ihnen fehlt ein Mechanismus, um sich zu regenerieren und beschädigte Zellen zu ersetzen. Hierbei geht es vor allem um Schadstoffe wie Schwefeldioxid und Schwermetalle. Schwefeldioxid entsteht unter anderem bei der Verbrennung von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen wie Kohle und Erdölprodukten sowie in der chemischen Industrie. Die Produkte von Schwefeldioxid, wenn es mit Sauerstoff in Berührung kommt, sind auch der Grund für den sogenannten Sauren Regen. Der Ausstoß ist seit 1990 um ca. 95% zurückgegangen. Unter anderem durch den Einsatz schwefelarmer Brennstoffe.

Außerdem ist die Belastung von Schadstoffen gerade im Winter höher als im Sommer. Denn Flechten betreiben, anders als Bäume und andere Blütenpflanzen, auch im Winter konstant Fotosynthese. Sie nehmen dadurch eine andere Luftzusammensetzung auf als im Sommer. Im Winter kommt es vor, dass sich die unteren kalten Luftschichten nicht mehr mit den oberen warmen vermischen. Es sammeln sich vermehrt Schadstoffe in den unteren Luftschichten an, die die Flechten aufnehmen. Der Schadstoffausstoß wird durch Heizen im Winter nochmals verstärkt.

Weltweit gibt es ca. 25.000 Flechtenarten (Kreisgruppe Wunsiedel BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) 2021: Flechten im Fichtelgebirge). Davon befinden sich rund 1700 in Deutschland. Die Hälfte der 1700 untersuchten Flechten in Deutschland sind wegen menschlichen Ursachen gefährdet (Oliver Fries; 2021: Flechten – Flechtenarten und die Bedeutung der Flechte). Dazu zählen Luftverschmutzung, Düngung, Zerstörung der Lebensräume. Aber auch, dass Flächen wie Hausfassaden aus Stein oder Pflastersteine gesäubert werden, da Flechten aber auch Moose als Dreck empfunden werden.

Schutz:

Der Artenschutz ist in Deutschland durch das Bundesnaturschutz geregelt. Dies regelt den Schutz wild lebender Pflanzenarten, zu denen Blütenpflanzen, Moose, Flechten und Pilze gezählt werden. Als Maßnahmen werden Biotope dieser Arten geschützt und wenn nötig Arten wieder angesiedelt.

Im Gesetz ist festgelegt, dass jeder bei einem vernünftigen Grund, wie zu wissenschaftlichen Zwecken, Material in kleinem Umfang entnehmen darf. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Art am Standort erhalten bleibt und weiterwachsen kann. Bei geschützten Gebieten müssen besondere Genehmigungen bei den zuständigen Behörden angefordert werden. Besonders und streng geschützte Arten dürfen nicht aus der Natur entnommen werden.

Die besonders und streng geschützten Flechten sind alle Arten folgender Gattungen:

Wimperflechten (Anaptychia), Moosflechten (Cetraria), Rentierflechten (Cladina), Lungenflechten (Lobaria), Schlüsselflechten (Parmelia), Bartflechten (Familien der Usnea- und Ramalinaceae).

Außerdem wird die Echte Lungenflechte (Lobaria pulmonaria) hervorgehoben, die auch in Baden-Württemberg in höheren und niederschlagsreichen Gebieten vorkommt. Sie gilt als Indikator für intakte Ökosysteme (Bild 2).

Weitere Infos zum Schutz und Sammeln finden Sie bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg und Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V.

Verwendung

Medizin und Kosmetik:

Flechten werden auch in der Medizin verwendet. Das Isländisch Moos (Cetraria islandica), welches in Form von Tee, Hustentropfen verwendet wird. Die Bartflechten wie Usnea barbata, die auch Baumbart genannt werden, produzieren die Usninsäure, die als natürliches Antibiotikum gilt.

Als Grundstoff finden Flechten auch Verwendung. Das Eichenmoos (Evernia prunastri) ist essentiell für die Herstellung von Mousse de chene (Parfümgrundstoff). Es wird auch Pflaumenflechte genannt, weil die Flechte mit einem wachsartigen Film (Reif) überzogen ist, den auch Pflaumen besitzen. In Bild 1 zu sehen.

Nahrung:

Bisher kam es offiziell zu keinen Vergiftungen mit Flechten. Allerdings reichern sie Schadstoffe in ihren Zellen an. Außerdem enthalten manche Flechten (Eichenmoos) starke Allergene, die bei empfindlichen Menschen allergische Reaktionen hervorrufen können.

Für Tiere hingegen gibt es durchaus giftige Flechten. Dazu gehört die Wolfsflechte (Letharia vulpina), die an der Europäischen Lärche und Zirbelkiefer vorkommt. Sie enthält die Vulpinsäure, die für fleischfressende Wirbeltiere, wie Fuchs und Wolf, giftig ist. Sie kann innerhalb eines Tages zu Atemlähmung und Tod führen. Sie kommt in den Alpen und nördlichen Gebieten der Welt vor (Boreale Zone).

Als Nahrung werden immer noch einzelne Flechtenarten als Nahrung verwendet. Das Isländische Moos und die Mannaflechte sind bspw. essbare Flechten. Das Isländisch Moos wird in den nördlichen Gebieten als Futter für Rentiere verwendet. Ebenso Rentierflechten wie Cladonia rangiferina (Bild 2). Die Mannaflechte (Lecanora esculenta) wurde zu Notzeiten in Nordafrika und Nahen Osten gegessen. Manna heißt übrigens auch Himmelsbrot.

Einteilung in Wuchsformen

Die Einteilung erfolgt nach Aussehen und nicht nach Verwandtschaft der Flechten zueinander.

So können innerhalb einer Gattung sowohl Strauchflechten als auch Blatt- und Krustenflechten vorkommen. Manche Flechten verändern ihre Wuchsform in ihrer Entwicklung durch gute oder schlechte Umweltbedingungen so, dass sie vom Aussehen her in eine andere Gruppe gezählt werden können. Daher kann allein von der Wuchsform die Art nicht immer zweifelsfrei bestimmt werden, sondern nur deren Wuchsform. Auch kommen verschiedene Arten einer Gattung auf unterschiedlichem Untergrund vor. Die Flechte besitzt ebenso wie ein Lebermoos einen Thallus als Vegetationskörper.

Die Flechten werden in die folgenden drei Wuchsformen unterschieden. Diese bestehen immer aus Grünalgen und einem Pilz. 

Flechten, die Blaualgen als Partner oder zweiten Partner haben, werden als Blaualgenflechten zusammengefasst. Optisch gesehen unterscheiden sie sich wenig von den Grünalgenflechten, erscheinen aber meist in einer düsteren grauen bis schwärzlichen Farbe. Bestätigen kann man aber nur mikroskopisch, ob die Symbiosepartner Cyanobakterien sind. Flechten mit Cyanobakterien als Partner werden Gallertflechten bezeichnet. Sie kann alle 3 Wuchsformen annehmen und behält trotzdem die Eigenschaften einer Gallertflechte.

Krustenflechten

Diese Flechten besitzen einen krustigen Thallus und sind mit der gesamten Unterseite mit dem Untergrund verbunden. Der Rand kann gewellt sein, ist aber mit dem Untergrund verbunden. Im Vergleich zu den anderen Gruppen bilden sie wenig Biomasse. Sie sind anderen schnellwüchsigen Pflanzen nicht gewachsen und werden verdrängt. Sie kommen an Felsgestein, Natursteinbauten und Baumrinde vor.

Blattflechten

Sind Flechten, die einen blattartigen und lappigen Thallus besitzen. Die Lappen heißen in der Fachsprache Loben für griechisch lobos = Lappen. Sie sind mit Haftorganen mit dem Substrat verbunden und nicht mit der gesamten Unterseite. Die Ränder der Blätter sind nach oben gewölbt und nicht mit dem Untergrund verbunden. Sie werden auch Laubflechten genannt. Die Blätter unterscheiden sich im Aufbau von Ober- und Unterseite. Anders als bei den Strauchflechten.

Strauchflechten

Gemein haben alle diese Flechten ein mehr oder weniger strauchig aufrechtes Wachstum. Die Form unterscheidet sich trotzdem. Die Formen des Thallus können in aufrechten Bechern und Stielen vorliegen. Aber auch bartartig herabhängen (Usnea-Arten) oder in Schuppen differenziert sein. Der Thallus kann ebenfalls Loben besitzen. In Bild 1 sehen Sie beispielsweise die Trompetenflechte (Cladonia fimbriata), deren Stiele in Bechern/Trichtern enden, aber die niederliegenden Strukturen nach einer Blattflechte aussehen. Die typischen ,,Trompeten'' entwickeln sich erst nach einiger Zeit.

Gallertflechten

Der Thallus ist immer gleich aufgebaut, kann aber sowohl strauchig als auch blattartig und krustenförmig sein. In jedem Teil der Flechte sind sowohl Pilz als auch Cyanobakterien vorhanden. Es sind keine getrennten Schichten im Querschnitt sichtbar. Bei Krusten-, Blatt- und Strauchflechten sind Pilz und Algenstrukturen voneinander getrennt im Thallus eingebaut. Bei Strauchflechten wäre mittig das Pilzgewebe und außen herum als Überzug die Algenstrukturen, um optimal Fotosynthese zu betreiben, bzw. auf der lichtzugewandten Seite. Wie der Name sagt, ist ihre Oberfläche ähnlich wie Gelatine glibberig und beweglich (Cyanobakterien sind von einer Gallerthülle umgeben). Wenn sie niedergedrückt werden, federn sie wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Dies gilt allerdings nur im feuchten Zustand. Wenn sie ausgetrocknet sind, werden sie brüchig.

Quellen und weiterführende Literatur

  • Georg Masuch; 1993; Quelle und Meyer Verlag; Biologie der Flechten; 1. Auflage; S. 13, 17, 37-39, 40-43
  • Oliver Fries (2021): Flechten – Flechtenarten und die Bedeutung der Flechte: Link zur Webseite 
  • NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. (2021): Wenn der Pilz mit der Alge…; Flechten sind faszinierende Doppelwesen aus Algen und Pilzen: Link zur Webseite
  • Kreisgruppe Wunsiedel BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) (2021): Flechten im Fichtelgebirge: Link zur Webseite
  • LUMITOS AG (2021): Schwefeldioxid: Link zur Webseite 
  • Umweltbundesamt, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) (2021): Schwefeldioxid-Emissionen: Link zur Webseite
  • Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e. V., BLAM (2021): Moose und Flechten: Natur- und Artenschutz, gesetzliche Regelungen: Link zur Webseite
  • LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2021): Besonders und streng geschützte Arten: Link zur Webseite