carolinea, 69
(2011): 53-66, 5
Abb., 2 Farbtaf.; Karlsruhe, 15.12.2011
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Magic Circles“ in Bärlauch-Beständen des
Hohen Reisachs, Südwestdeutschland
N
iels
B
öhling
Kurzfassung
Im langjährig floristisch-waldökologisch untersuchten
Schonwaldgebiet Hohes Reisach bei Kirchheim un-
ter Teck im Vorland der Mittleren Schwäbischen Alb
(
Baden-Württemberg) treten seit mindestens Ende der
1990
er Jahre „Magic Circles“-artige Phänomene auf.
Es handelt sich um meist kreisrunde oder sichelförmige
Lineamente in Bärlauchbeständen, die auf dem selek-
tiven Absterben des in der Umgebung gut wüchsigen
Bärlauchs (Allium ursinum L.) basieren. Es handelt sich
offenbar um ein neuartiges Phänomen.
Lage, Verteilung, Form, Entwicklung, Größe und
standörtliche Grundlagen dieser kreisförmigen Bär-
lauchblößen werden beschrieben. Ursache ist ein (he-
xen-) ringartig wachsender Ständerpilz (Basidiomycet),
ein Basidienpilz, dessen Fruchtkörper ein „Schattenda-
sein“ führen: Helicobasidium longisporum. Im Hohen
Reisach-Wald parasitiert er die Zwiebeln von Allium ur-
sinum selektiv und verursacht eine violette Wurzel- und
vor allem Zwiebelfäule. Die als pflanzensystematischer
Typus zuerst von der tropischen Insel Java beschrie-
bene Pilzart tritt wohl als Folge der Klimaerwärmung in
Mitteleuropa und im Untersuchungsgebiet seit ca. ein
bis zwei Jahrzehnten auf, im Hohen Reisach derzeit
massiv. Als Zwischenwirt dienen ihm Birnengitterrost-
pilze von den benachbarten Streuobstwiesen. Es han-
delt sich um ein Lebewesen, das in drei verschiedenen
Formen auftritt und das sowohl seinesgleichen, Pilze,
wie außerdem höhere Pflanzen, hier den Bärlauch, pa-
rasitiert.
Abstract
Magic Circles” in Allium ursinum stands of the
Hohes Reisach forest (Southwestern Germany)
The “Hohes Reisach” forest is situated in the foreland
of the Swabian Alb near Kirchheim unter Teck (Baden-
Württemberg). Long-term floristic and ecological re-
search is carried out since the 1970ies. Since the mid
of the 1990ies, circle-like areas bare of ramsons (Al-
lium ursinum L.) were found in otherwise well growing
ramsons stands. Also sickle and semicircle-shaped
lineaments can be found. Distribution, shape and size,
frequency, dynamics, development and site conditions
are described. These fairy ring-like structures, similar
to “Rhizoctonia bare patches”, are caused by a ba-
sidiomycete, Helicobasidium longisporum, parasiting
specifically ramsons in the investigation area, as well
as Gymnosporangium. Its spread seems to be due to
climate change, especially global warming.
Keywords:
kreisrunde Bärlauchblößen, Bärlauch-
Fehlstellen, Allium ursinum, Helicobasidium compac-
tum, H. mompa, Rhizoctonia, Thanatophytum, Tuber-
culina, Wurzeltöter, Violette Wurzelfäule, Hexenringe,
Zauberkreise, Elfenringe, Feenkreise, Biodiversität,
Vegetationsdynamik, Rhizoctonia bare patches, fairy
circles, elf circles, pixie rings, violet root rot, violet
blight, mushrooms, fungi, mycology, plant ecology, de-
ciduous forest, biodiversity
Autor
Dr. N
iels
B
öhling
,
Römersteinstr. 12, 73230 Kirchheim
unter Teck, Tel. 07021-489420, E-Mail: nboehling@
flora-x.de,
1
Einleitung
Seit 1978/79 wird die Flora und Vegetation des
ehemaligen Eichen-Hainbuchenwaldes „Hohes
Reisach“, seit 1974 ein sogenanntes „Schon-
waldgebiet“, mehr oder weniger kontinuierlich
untersucht; anfangs durch die forstliche Stand-
ortskundlerin G
ertrud
B
uck
-
F
eucht
(
B
uck
-
F
eucht
1980, 1989),
die bereits das Schonwald-Gutach-
ten schrieb, später durch den Autor, dem ab 1995
die Untersuchungen voll übergeben wurden und
der soweit möglich die Arbeiten in reduziertem
Umfang heute noch fortführt (B
öhling
2003,
2007, 2008).
Zusätzlich zur in mehrjährigen Abständen erfol-
genden Feinkartierung aller Pflanzenarten der
Bodenvegetation („Spezieskartierung“ im Sinne
von E
llenberg
1956: 108)
in fest vermarkten
(
durch eingesenkte Betonpfähle „versteinten“)
Dauerbeobachtungsflächen erfolgte 2007 eine
Neukartierung der Verbreitung der Bärlauch-Fa-
zies (B
uck
-
F
eucht
1980,
B
öhling
2008).
Aus der
früher eher seltenen Art Allium ursinum, die da-
mit sogar zu einer der Zielarten der Schonwald-
verordnung wurde, war inzwischen eine häufige
Art geworden, die sich als außerordentlich kon-
kurrenzkräftig zeigte und die Artenvielfalt vor Ort
erheblich reduziert.
Bei dieser systematischen Allium-Kartierung fie-
len deutliche, metergroße, kreisrunde „Löcher“ in