Carolinea 75

B amann : Tagfalter und Widderchen auf Streuwiesen im Allgäu 103 Beide Arten breiten sich wahrscheinlich (auch) aus klimatischen Gründen seit etwa 10-15 Jah- ren in Baden-Württemberg stark aus (vgl. F ilz & S chmitt 2012). Vom Baumweißling ( Aporia cra­ taegi ) liegt außerdem eine größere Anzahl neuer Nachweise aus dem westlichen Teil des Untersu- chungsgebiets vor. Die Art hat sich seit Beginn der 2000er-Jahre auf der Hochfläche der mitt- leren Alb stark ausgebreitet, sodass eine Häu- figkeitszunahme im württembergischen Allgäu nahe liegt ( G. H ermann , schriftl.). Bedeutung der oberschwäbischen Streuwiesen für den Artenschutz tagaktiver Schmetterlingsarten Für den Heilziest-Dickkopffalter und den Lun- genenzian-Ameisenbläuling stellen die streu- genutzten Niedermoore des württembergischen Allgäus den einzigen besiedelten Lebensraum in Baden-Württemberg dar. Für diese Arten ist somit der Erhalt ihrer Habitate von landes-, wie auch bundesweiter Bedeutung. Folgende Arten besitzen innerhalb Baden-Würt- tembergs ihre wichtigsten Vorkommen in streu- genutzten Niedermooren des Allgäus (abstei- gend nach Gefährdungsgrad): Goldener Scheckenfalter Blaukernauge Sumpfhornklee-Widderchen Braunfleckiger Perlmutterfalter Baldrian-Scheckenfalter Die folgenden gefährdeten Arten besitzen in den oberschwäbischen Niedermooren wichtige Metapopulationen, sind aber in anderen Biotop- typen und/oder Regionen Baden-Württembergs mindestens ebenso oder noch weiter verbreitet: Hochmoor-Perlmutterfalter Westlicher Scheckenfalter Randring-Perlmutterfalter Ampfer-Grünwidderchen Wachtelweizen-Scheckenfalter Gefährdung Die Hauptgefährdung der Tagfalter- und Widder- chenarten im württembergischen Allgäu besteht durch anhaltenden Habitatflächenverlust infolge von Nutzungsaufgabe mit anschließender Ver- brachung, Verschilfung und Gehölzsukzession. Daneben sind Nährstoffeinträge infolge hoch- intensiver Grünlandnutzung (Gülle, Biogas) an- grenzender Flächen ein weiterer wesentlicher Gefährdungsfaktor. Sie führen zu Vegetations- veränderungen, die stickstoffliebende Pflanzen (z.B. Mädesüß [ Filipendula ulmaria ] oder Schilf [ Phragmites australis ]) begünstigen und magere, schüttere Vegetationsbestände, die die Grundla- ge für eine erfolgreiche Entwicklung zahlreicher Tagfalter- und Widderchenarten darstellen, ver- drängen.Weiterhin ist eine schleichende Vernäs- sung zahlreicher Streuwiesen zu beobachten, die bislang durch stark schwankende Wasser- stände charakterisiert waren (vgl. Q uinger et al. 1995). Die Ursachen hierfür liegen häufig in einer mangelnden Grabenpflege begründet, die nicht zuletzt auf Vorgaben des Naturschutzes beruht. Die Folgen sind verarmende Vegetationsbestän- de (Dominanz von Seggen), eine erschwerte Mähbarkeit der Flächen und Habitatverlust für zahlreiche Insektenarten wechselfeuchter oder wechseltrockener Moorstandorte. Zuletzt führt auch das starre Korsett des Vertragsnaturschut- zes mit einheitlich späten Mahdzeitpunkten (frü- hester Schnittzeitpunkt für Streuwiesen ist der 01.09.) dazu, dass die Flächen in sich homo- gener und nährstoffreicher werden. Historisch durchaus übliche Sommerschnitte (Heumahd) auf trockeneren Standorten bzw. in trockenen Jahren bleiben gänzlich aus (vgl. Q uinger et al. 1995). Gerade solche bewirkten jedoch den stärksten Nährstoffaustrag, der für den Erhalt der oligotraphenten Pflanzengesellschaften der Nie- dermoore essenziell ist. Schutz und Pflege Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Metapopulationen Die aktuelle Praxis der jährlichen Streumahd stellt die Grundsicherung für ein dauerhaftes Vorkommen eines Großteils unserer Nieder- moorarten dar. Aufgrund der starken Abhängig- keit fast aller Tagfalter- und Widderchenarten von einer funktionalen Verknüpfung geeigneter Habi- tate im Sinne des Metapopulationsprinzips (vgl. H anski 1998) ist die wichtigste Voraussetzung für ihren Erhalt die Bereitstellung möglichst vieler, im Idealfall engmaschig verknüpfter und regel- mäßig streugemähter Flächen. Nur dieses reiche Angebot an Habitaten unterschiedlicher Ausprä- gungen kann die zahlreichen Verluste und Aus- sterbeereignisse durch Parasitoide, ungünstige Witterung, Habitatüberflutungen oder ungünstige Pflegeregimes dauerhaft abpuffern. Die aktuell noch vorhandene Anzahl streugenutzter Nieder- moore sollte daher keinesfalls weiter reduziert werden. Vielmehr ist in einigen Räumen eine deutliche Flächenerweiterung geeigneter Habi- tate durch Wiederausweitung der Streumahd auf Brachen und Sukzessionswälder dringend gebo-

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