Carolinea 75
66 Carolinea 75 (2017) Einen gewissen Ausgleich für dieses Ungleich- gewicht schafft die seit 2010 durchgeführte Un- tersuchung des Algenaufwuchses der mittler- weile circa 550 Monitoring-Stellen der WRRL, die von der LUBW an den Fließgewässern des ganzen Landes eingerichtet wurden und alle Wasserkörper abdecken. Im Hinblick auf die Verbreitung einiger Rotalgen-Taxa müssen al- lerdings einige Abstriche gemacht werden, da die Auswahl der Probestellen weder an den speziellen Standortansprüchen einiger Taxa orientiert ist, noch die Zeit ihrer makroskopisch erkennbaren Entwicklungsphasen abdeckt. Die Zeit der Hauptentwicklung vieler Taxa ( Bangia atropurpurea , Batrachospermum spp., Lema nea fluviatilis , Paralemanea catenata ) ist in der Regel Winter bis Frühsommer. Zu anderen Jahreszeiten sind die makroskopischen Game- tophyten bzw. Thalli insbesondere der Gattung Batrachospermum oft nicht nachweisbar oder stark reduziert ( W ehrle 1942, V is et al. 1996, K nappe & H uth 2014). Der aus unabwendbaren praktischen Gründen gewählte Kartierzeitraum des WRRL-Monitorings liegt jedoch zwischen Juli und September. Für weniger durch saiso- nale Entwicklungszyklen charakterisierte Taxa scheint das Monitoring hingegen ein realis- tisches Verbreitungsbild widerzugeben. Hier sind Audouinella spp., die Chantransia -Stadien und Hildenbrandia rivularis zu nennen. Ihre durch das Monitoring-Programm zutage getre- tene, zum Teil unvermutet weite Verbreitung und Häufigkeit hängt sicher auch damit zusammen, dass es sich um euryöke und trophie-indiffe- rente Taxa handelt. Aber auch wenn potentiell geeignete Rotalgen- Standorte zur richtigen Zeit aufgesucht werden, bleibt noch die Möglichkeit, daß die makrosko- pisch sichtbaren Gametophyten in vielen Po- pulationen nicht jedes Jahr ausgebildet werden ( K nappe & H uth 2014). Dies konnte vom Ver- fasser vor allem bei Batrachospermum spp. an mehreren Wuchsorten beobachtet werden, die in verschiedenen Jahren zur gleichen Zeit auf- gesucht wurden. Wenigstens zum Teil scheinen Umweltfaktoren hierbei eine wichtige Rolle zu spielen. So waren, im Gegensatz zu früheren Jahren, bereits Anfang Juni 2017 an mehreren bekannten Wuchsorten mit normalerweise üp- pigen Beständen von Batrachospermum spp. im Schwarzwald und der Baar nach einer Periode niedriger Wasserstände und relativ hoher Was- sertemperaturen keine oder kaum noch Game- tophyten zu finden. Eine Einschätzung der Häufigkeit und letzlich des Gefährdungsgrades muss daher die Dis- krepanzen zwischen (vermuteter) wahrer Ver- breitung und der Zahl und Lage der tatsäch- lichen Funde mit einbeziehen. Aussagen über den Rückgang oder die Gefährdung einer Art sind nur dann möglich, wenn über deren Vor- kommen und Häufigkeit hinreichende Angaben aus früheren Zeiten vorliegen ( K usel -F etzmann 1997). Eine Einschätzung des Gefährdungs- grades ist für einen erheblichen Teil der Rotalgen nur unter Vorbehalt möglich, da die historische und rezente Verbreitung und Häufigkeit von Al- gen weit weniger gut dokumentiert ist als für die meisten Gefäßpflanzen. Trotz der beschränkten Datenlage lässt sich für einige der hier behandel- ten Rotalgen-Taxa zumindest für den badischen Landesteil hinreichend genau darlegen, ob eine signifikante Tendenz zur Ausbreitung oder zum Rückgang vorliegt. Dies ist v.a. den Angaben von S chmidle (1893), R abanus (1916) und L auterborn (1910, 1917, 1922, 1942) zu verdanken. Nicht immer decken sich die (in den Angaben zu den einzelnen Taxa enthaltenen) Ergebnisse mit der Einschätzung für andere Bundesländer ( W agner 2014). Dies hat verschiedene Gründe, die mit einem relativ hohen Anteil hochmontaner Mit- telgebirgslagen in Baden-Württemberg zusam- men hängen. Beschränkte Verbreitungsgebiete in Baden-Württemberg hatten mit Sicherheit auch früher Lemanea fluviatilis im Schwarzwald und im Odenwald, Paralemanea catenata im niederen Schwarzwald und der angrenzenden Rheinebene, Bangia atropurpurea und Thorea hispida in Rhein und unterem Neckar. Zumindest die erstgenannten beiden Arten sind dort auch heute häufig und weit verbreitet und sind daher, im Gegensatz zu anderen Bundesländern ( P aul & D oege 2010, H elmecke & K nappe 2011, W agner 2014), in ihrem Bestand nicht oder kaum gefähr- det (Tab. 1). Kein Fall für die Rote Liste ist in Ba- den-Württemberg die in den nördlichen Bundes- ländern oft mit der Gefährdungstufe 3 bedachte Hildenbrandia rivularis ( W agner 2014). Anders sieht vermutlich der Fall bei mehreren Batracho spermum -Arten ( B. arcuatum , B. atrum , B. bory anum , B. confusum , B. turfosum , B. vogesiacum ) aus. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Arten wohl auch schon im 19. Jahrhundert selten waren oder ihr Vorkommen nie sicher be- stätigt werden konnte (Tab. 1). Eine geringere Gefährdungsstufe ist bei Batrachospermum ana tinum und vor allem bei der relativ häufigen Ba trachospermum gelatinosum angemessen. Ge-
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