Carolinea 76

164 Carolinea 76 (2018) Viehzucht haben gravierende Spuren hinterlas- sen, so dass von den Wäldern, die Europa einst überzogen, nur wenig übrig geblieben ist. Diese Veränderungen sind auch in den europäischen Mittelgebirgen wie Schwarzwald, Odenwald, Fichtelgebirge und Riesengebirge sichtbar. Auch Biotope, die heute unter Naturschutz stehen, wie z.B. die Grinden im Nordschwarzwald, sind einst durch menschliche Nutzung (Abholzung zur Beweidung) entstanden. In dieser fast völlig vom Mensch veränderten Landschaft gibt es nur noch an wenigen Stellen Reste einer „Urland- schaft“ und Lebensräume, die seit dem Rückzug der Gletscher am Ende der letzten Kaltzeit na- hezu unverändert überdauern konnten. Dazu ge- hören Blockhalden – steile, schwer zugängliche und weitgehend vegetationslose Anhäufungen von groben Gesteinsblöcken unterschiedlicher Größe, an denen bis heute nur ein geringes Nut- zungsinteresse besteht ( L üth 1993). Blockhalden im engeren Sinn sind charakterisiert durch ein tiefreichendes luftdurchströmtes Lückensystem und das Fehlen von Feinmaterial bzw. Boden- substrat in den Gesteinszwischenräumen ( G ude & M äusbacher 1999; M olenda 1999). Blockhalden bilden sich vor allem aus schwer verwitternden Gesteinen wie Granit, Gneis oder auch Bunt- sandstein. Im Schwarzwald geht die Entstehung solcher Gesteine auf die variszische Gebirgsbil- dung vor ca. 280 bis 305 Millionen Jahren – im Jungpaläozoikum zurück. Durch die Kollision der Urkontinente Gondwana und Laurussia hob sich damals das Variszische Gebirge, dessen Reste die heutigen Mittelgebirge wie z.B. das Rheini- sche Schiefergebirge, der Taunus, der Odenwald und eben auch der Schwarzwald darstellen. Während der Orogenese wurden vorhandene Gesteine in Gneis umgewandelt, gleichzeitig bildeten sich Granite aus glutflüssigen Schmel- zen, die in der Erdkruste erkalteten und später an die Erdoberfläche gelangten. Die Abkühlung des Magmas führte zu Schrumpfungsrissen, was im Zusammenhang mit tektonischen Vorgängen die Ausbildung eines mehr oder weniger recht- winkligen Kluftsystems zur Folge hatte. Dieses Kluftsystem war entscheidend für die Blockbil- dung, da entlang der Kanten und Risse Wasser eindrang und in den Kaltzeiten durch Frostspren- gung durch wechselndes Gefrieren und Tauen Blöcke vom Nährfels lösen konnte. Außerdem löste Wasser vor allem in den Warmzeiten Mi- nerale aus dem Gestein. So wurden im Verlauf der allmählichen Verwitterung aus eckigen Fel- sen abgerundete Blöcke (Wollsackverwitterung), die an steilen Hängen nach unten eine Halde großer abgerundeter Felsblöcke bildeten. Tau- wasser und Niederschläge sowie starkes Gefälle am Hang führten zur Auswaschung des feineren Verwitterungsschuttes und verhinderten dauer- haft die Anhäufung von organischem Material (Pflanzenreste) und damit eine Bodenbildung ( G ude & M äusbacher 1999 ). Solche klassischen Blockhalden entstanden vor allem aus Graniten, Anatexiten und Orthogneisen ( M olenda 1996). Dagegen stellen die Buntsandsteinhalden im Nordschwarzwald eine Besonderheit dar, über deren Entstehung in der Literatur allerdings we- nig zu finden ist ( T runko 2000; G enser 2004). Häufige Frostwechsel bei gleichzeitiger Son- nenbestrahlung führten auch hier zur Spren- gung des Gesteins, Wind und reißende Flüsse trugen zur Gestaltung der Blockhalden bei. Sol- che Klimaverhältnisse waren in Mitteleuropa bis zum Ende der letzten Kaltzeit vor 11.700 Jahren weiträumig zu finden ( B enda 1995, K lostermann 2009). Zu dieser Zeit bedeckten Gletscher gro- ße Teile von Nordeuropa und die Alpen. Auch der Südschwarzwald und die südlichen Voge- sen waren von lokalen Gletschern bedeckt. In den Höhen des Nordschwarzwaldes bildeten sich Firnkappen – für die Ausbildung von echten Gletschern gibt es keine Belege ( G eyer , N itsch & S imon 2011). Ob auch heute unter rezenten Kli- maverhältnissen durch Erosion von Nährfelsen in Mittelgebirgslagen Blockhalden in situ entste- hen, scheint nicht ganz sicher, zumindest verlie- fe eine Genese deutlich langsamer als zu den Klimabedingungen der Kaltzeiten ( L üth 1993; M olenda 1996). Rezente Verwitterung führt eher zur Anreicherung von Schutt, der wiederum die Vegetationsdecke fördert. Schutthalden unter- scheiden sich durch die Größe der Gesteinsfrak- tion von Blockhalden (kleinstückiger, scherbiger Schutt überwiegt). Außerdem findet sich in den Lücken mehr feinkörniges Material, sodass die Luftdurchströmung stark behindert ist. Zu be- obachten ist jedoch die rezente Freilegung von Gesteinsblöcken durch Erosion der Bodendecke nach Sturmwurf in Bereichen, die bisher von Wald bedeckt waren. Heute sind offene Blockhalden außeralpin nur noch an einzelnen Stellen der Mittelgebirge, meist mehr oder weniger isoliert in einer Wald- matrix erhalten und stellen damit disjunkte Le- bensräume (Relikte) dar. Sie unterscheiden sich trotz der charakteristischen Gemeinsamkeiten ( U llmann 1960, L üth 1993) durch ihre Genese, das Gestein, die Exposition, Inklination (Hang-

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