Carolinea 78
60 Carolinea 78 (2020) Beobachtungen des Autors an der Schwesterart Euphydryas italica in den Cottischen Alpen zei- gen, dass sich Raupen, die direkt aus den Über- winterungsquartieren kamen, von frisch aus- treibenden Blättern eines Strauches der Roten Heckenkirsche ernährten. Die Blätter treiben sehr früh im Jahr aus und sind sofort nach Ak- tivwerden der Raupen verfügbar. Nach rund drei Wochen waren sämtliche Raupen auf eine ne- benstehende Jungesche gewechselt, um an den aufbrechenden Blattknospen zu fressen. Auch für Liguster lagen in Baden-Württemberg keine Nachweise als Raupenfraßpflanze vor. E bert & R ennwald (1991) geben hier neben der Esche noch Geißblatt, Zitterpappel und Salweide als Nahrungspflanzen an. Es bleibt unklar, wa- rum manche Nahrungspflanzen vergleichsweise schwach frequentiert sind und andere häufiger genutzt werden. Vermutlich sind nicht alle poten- ziellen Wirtspflanzen für die Raupen gleicher- maßen geeignet. Wie bereits beschrieben, spielt wahrscheinlich auch die Habitatstruktur, in der die potenzielle Fraßpflanze wächst, eine Rolle. 3.2.9 Mortalität der Post-Diapauseraupen Es liegen nur wenige Beobachtungen über po- tenzielle Prädatoren von Frühjahrsraupen vor. In einem Fall versuchten mehrere Ameisen ( Lasi- us sp.), eine erwachsene E . maturna -Raupe zu überwältigen. In eingerolltem Zustand war die Raupe für die Ameisen wegen der Bedornung nicht zu greifen und sie ließen von ihr ab. Wie- derholt konnten erwachsene E . maturna -Raupen als auch Puppen in unmittelbarer Nähe zu Bau- ten von Waldameisen ( Formica sp.) festgestellt werden, manchmal sogar in hohen Dichten. Es ist davon auszugehen, dass die Raupen durch die schwarz-gelbe Warnfärbung einen gewissen Schutz vor räuberischen Prädatoren genießen. Die meisten Fraßpflanzen der Raupen enthalten iridoide Verbindungen ( D olek et al. 2013), was di- ese möglicherweise vor Vogelfraß schützt ( E lias - son & S haw 2003). Im Habitat konnte auch der Schönbär ( Callimorpha dominula ) nachgewiesen werden, der eine ähnlich gefärbte Raupe besitzt (Abb. 35). Beide Arten könnten daher durch ihre Warnfärbung vor potenziellen Fressfeinden ge- schützt sein und vom Vorkommen der jeweils anderen Art profitieren. Parasitoide, welche die Raupen im Frühjahr be- fallen, konnten bisher nicht beobachtet werden. Wenige Raupen wurden überfahren auf We- gen gefunden. Wiesenpflegemaßnahmen (z. B. Eggen) haben nachweislich in Einzelfällen zur Vernichtung von Raupen geführt. Das größte Problem im Zusammenhang mit der Bewirtschaf- tung ist mit Sicherheit die Mahd mit Abtransport des Mähgutes von mit Raupen besetztenWiesen im Frühjahr. 3.2.10 Mehrfachüberwinterung von Raupen In der Literatur wird davon berichtet, dass ein- zelne Raupen einen mehrjährigen Entwicklungs- zyklus durchlaufen ( F riedrich 1983, E liasson & S haw 2003). F riedrich (1983) gibt an, dass Rau- pen, die im 3. Kleid in die erste Diapause gehen, zweimal überwintern , solche im 4. Kleid nur ein- mal. Nach E bert & R ennwald (1991, zitiert aus F riedrich 1986) überwintern von einigen weni- gen bis hin zu 75 % der Raupen zweimal. Auch Dreifachüberwinterung soll vorkommen. E bert & R ennwald (1991) zitieren hierzu die Annahme von F riedrich , wonach Dreifachüberwinterung gene- tisch fixiert sein soll. Es handelt sich hierbei um Erkenntnisse, die F riedrich aus der Zucht nach Eiablagen gewonnen hat ( E bert & R ennwald 1991). Das Zuchtmaterial stammt laut E berhard (mündl. Mitteilung) vom ehemaligen Standort im Jagsttal bei Buchenbach (siehe M ayer 2019). Nach W ahlberg (1998) durchlaufen Populationen in Finnland in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen (warme oder kalte Orte) einen ein- oder zweijährigen Zyklus. E liasson & S haw (2003) gehen dagegen von einer genetischen Fixierung bei der Dauer des Entwicklungszyklus aus, der bei Populationen in Schweden bis zu vier Jahre dauern kann. S traka (2014) berichtet von zwei Dutzend zur Laborhaltung eingesammelten L4- Raupen (diese entstammen einer niederöster- reichischen E . maturna -Population), von denen vier Raupen im L5-Kleid im Mai in die erneute Diapause gingen. In der Natur sind solche Mehrfachüberwinterer nur sehr schwer zu beobachten bzw. als solche zu klassifizieren. Nach bisherigen Erkenntnissen stellen manche Raupen im L5-Kleid das Fressen ein und suchen erneut ein Überwinterungsver- steck. Dem Autor liegen wenige Beobachtungen von einzelnen Raupen vor, welche auffallend früh das letzte Larvalstadium erreicht hatten und sich vom Gros der Raupen in der Entwicklung deutlich unterschieden. Zudem konnten solche Raupen an Stellen gefunden werden, an denen die letzten Gespinste im vorvergangenen Jahr registriert wurden. In den letzten Jahren gelan- gen solche Beobachtungen nicht mehr. Mögli- cherweise besteht ein Zusammenhang mit der bereits weiter oben beschriebenen Veränderung
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=