Kräuselweberinnen

Mit Spinnen verbinden wir gedanklich immer Spinnvermögen und Netze. Tatsächlich sind alle Echten Spinnen (Araneae) in der Lage, in speziellen Drüsen Spinnfäden herzustellen, die dann mit Hilfe der am Hinterleib sitzenden Spinnwarzen sehr gezielt eingesetzt werden. Allerdings fangen nicht alle Spinnen ihre Beute mithilfe von Netzen. Viele Arten jagen ihre Beute aktiv oder lauern ihr auf. Diese "Jagdspinnen" verwenden Spinnseide zur Herstellung von Sicherungs- oder Signalfäden, zum Bau von Wohngespinsten und von Eikokons.

Unter den "Netzspinnen" gibt es dagegen verschiedene Netzformen und damit verbundene Beutefangtechniken. Über das Netz werden zunächst Signale an die Spinne übermittelt. Ein Fangnetz sollte aber auch die Beute zumindest so lange im Netz halten, bis die Spinne sie durch einen Biß lähmen oder durch Einwickeln in Spinnseide überwältigen kann. Dazu sind im Laufe der Evolution in einigen Spinnenfamilien Fangfäden entwickelt worden, die mit einer klebrigen Substanz überzogen werden. Zu diesen sogenannten Klebefadenweberinnen gehören alle Radnetzspinnen, also z.B. auch die einheimischen Kreuzspinnen.

Eine andere Technik - die der Kräuselfadenweberinnen - macht die Netze durch Verwendung einer Fangwolle besonders fängig. Diese Wolle aus vielen einzelnen, sehr dünnen Kräuselfäden wird mithilfe eines speziellen Spinnorgans, dem Cribellum (Spinnsieb oder Spinnplatte) und einer Art Kamm, dem Calamistrum hergestellt. Deshalb werden diese Spinnen als cribellate Spinnen bezeichnet.

Welche Kräuselwebspinnen kommen bei uns vor?

In Deutschland kommen cribellate Spinnen der folgenden Familien vor:

  • Kräuselspinnen (Dictynidae)
  • Röhrenspinnen (Eresidae)
  • Finsterspinnen (Amaurobiidae)
  • Kalksteinspinnen (Titanoecidae)
  • Kräuselradnetzspinnen (Uloboridae)
  • Kräuseljagdspinnen (Zoropsidae)

In Südostasien gibt es noch die cribellaten Schlankkräuselspinnen (Psechridae).

Was ist denn eigentlich ein Cribellum?

Das Cribellum (Spinnsieb, Spinnplatte) ist eine relativ großflächige Struktur, die sich bei cribellaten Spinnen vor den (gewöhnlichen) Spinnwarzen befindet und die mit bis zu 50.000, oftmals winzig kleinen Spinnspulen besetzt ist. Aus diesen Spulen werden besonders dünne Einzelfäden entlassen, die zusammen eine Wolle bilden. Wahrscheinlich ist das Cribellum aus dem vierten (vordersten) Spinnwarzenpaar hervorgegangen, das bei ursprünglichen Spinnen heute noch vorhanden ist. Das Cribellum ist bei den meisten cribellaten Spinnen zweiteilig, wie auf dem Bild zu sehen.

 

Wie funktioniert die cribellate Fangwolle?

Ein cribellater Fangfaden besteht aus einem, seltener auch mehreren Achsenfäden. Darüber liegen dann mehrere Kräuselschlingen. Das sind Fäden, die deutlich dünner als ein Achsenfaden, aber dennoch elastischer und reißfester sind. Kommt es zum Zerreißen der Achsenfäden, die weniger reißfest als diejenigen der Klebefaden-weberinnen sind, verhindern die Kräuselschlingenfäden das Zerreißen des gesamten Fangfadens. Sie sorgen damit dafür, dass cribellate Fangnetze auch dem Aufprall von großen und kräftigen Fluginsekten standhalten können. Dem Festhalten der Beute dagegen dient die Fangwolle. 

Zur Herstellung der Fangwolle wird außer dem Cribellum noch eine weitere Struktur verwendet. Das kammartige Calamistrumbefindet sich bei cribellaten Spinnen am vorletzten Glied des vierten Beinpaares, dem Metatarsus. Es handelt sich um eine, zwei oder auch mehrere, regelmäßige Reihen von Borsten, die kleine Zacken aufweisen. Mithilfe dieses Borstenkamms werden über das Cribellum austretende Fädchen auf die Achsenfäden schubweise und ruckartig aufgekämmt. Dadurch kommt es zu elektrostatischer Aufladung der Wolle. Diese übt somit eine zusätzliche Anziehungskraft auf die winzigen Borsten an den Beinen von Insekten aus und macht das Netz besonders fängig.

 

Vor- und Nachteile cribellater Fangfäden

Cribellate Fangfäden sind besonders fängig. Insekten können sich nur selten wieder aus Kräuselnetzen befreien. Ihre Fängigkeit behalten sie deutlich länger als einen Tag. Dagegen müssen Klebfadennetze (zumindest der Fangbereich) jeden Tag neu gesponnen werden, was wertvolle Energie verbraucht.

Kräuselweberinnen müssen ihr Netz meist nur alle paar Tage ausbessern. Muss allerdings ein Netz, z.B. wegen Zerstörung durch größere Tiere oder Unwetter, neu gesponnen werden, so ist das bei Klebefadenweberinnen oft in weniger als einer Stunde erledigt. Für ein Kräuselfangnetz bedarf es einer ganzen Nacht um es komplett fertigzustellen.

Kräuselfangnetze mit ihren bläulich schimmernden Fangfäden sind auffälliger als nicht-cribellate Netze, was zum Nachteil hat, dass sie von Beutetieren eher bemerkt und vermieden werden.

Literatur

Horst Stern & Ernst Kullmann (1975): Leben am seidenen Faden - rätselvolle Welt der Spinnen. C. Bertelsmann Verlag, München, Gütersloh, Wien.                   300 S.

Rainer Foelix (1993): Biologie der Spinnen. 2. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart, Germany.

Fritz Vollrath (1992): Die Seiden und Netze von Spinnen. Spektrum der Wissenschaft 5: 82-89.