Botanische und mykologische Sammlungen

Die Botanik nahm im „Naturalienkabinett“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen besonderen Platz ein. Die ersten drei Direktoren der Sammlungen C. Chr. Gmelin (1785-1837), A. Braun (1837-1846) und M. Seubert (1846-1878) waren bekannte Botaniker, die auch grosse Sammlungen (Herbarien) hinterließen. Weitere Herbarien kamen durch Schenkung oder Ankauf in die Landessammlungen. So soll die Sammlung Schimper etwa „500 ziemlich dicke Päckchen“ umfasst haben.

Was ist Botanik?

1753 veröffentlichte der schwedische Botaniker Carl Linnaeus sein Werk "Species Plantarum" und etablierte das binomiale System (Gattung und Art) zur Benennung von Pflanzen. Jede neue Pflanzenart muss seither in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift oder einem Buch beschrieben und veröffentlicht werden. Heute werden auf dem International Botanical Congress Regeln für die Pflanzennomenklatur festgelegt.

Im Freiland gesammelte Pflanzen- und Pilzexemplare gelangen in einem nahezu konstanten Strom ins Museum für Naturkunde. Sie sind das Rohmaterial, die Bausteine botanischen Wissens. Zwischen Papierbögen gepresst und begleitet von Feldnotizen warten sie darauf, identifiziert, katalogisiert, klassifiziert und analysiert zu werden.

Experten für Systematik dokumentieren Organismen und gruppieren sie auf eine Weise, die ihre evolutionären Beziehungen widerspiegelt, indem sie eine Vielzahl von Techniken anwenden, um die grundlegenden Eigenschaften einer untersuchten Pflanze zu lernen, von einfachen Messungen von Pflanzenteilen und -formen bis hin zu anspruchsvolleren mikroskopischen, biochemischen und molekularen Ansätzen. Dann können sie die Pflanze aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit anderen einer bestimmten taxonomischen Gruppe zuordnen.

Ethnobotaniker und Ethnomykologen untersuchen wie Menschen in aller Welt Pflanzen und Pilze nutzen, z.B. als Nahrungsmittel, Medizin, für Utensilien, Konstruktion, Kleidung etc. Dies war auch einer der Hintergründe für Markgräfin Karoline Luise die Botanische Sammlung und den Botanischen Garten in Karlsruhe aus der Taufe zu heben, Dabei werden intensive Anstrengungen unternommen, um das Potenzial in Pflanzen zu entdecken und zu nutzen, bevor ihre genetischen Ressourcen durch das Aussterben verloren gehen.

Was ist ein Herbarium?

In einem Herbarium werden getrocknete und gepresste Pflanzen und Pilze archiviert. Jeder Beleg ist auf einem Herbarbogen montiert und mit einem Etikett versehen, auf dem neben dem Artnamen auch das Funddatum, der Fundort und der Sammler vermerkt, und teilweise auch der Nutzen, vermerkt sind. Alle größeren Herbarien weltweit sind im "Index Herbariorum" registriert. Die internationale Abkürzung des Herbariums Karlsruhe ist KR. Herbarpflanzen sind, wenn sie trocken und insektenfrei gelagert werden, sehr lange haltbar. Die ältesten Belege in Karlsruhe stammen noch aus der Gruündungszeit der Sammlung unter Markgräfin Karoline Luise, und sind über 250 Jahre alt.

Allerdings waren die Herbarien um 1900 nicht gerade in einem guten Zustand, wie aus einem Schriftwechsel mit dem Botanischen Museum in Berlin-Dahlem hervorgeht. Deshalb versuchten ab etwa 1888 Reallehrer Oehler, Lehrer Kneucker und Seminardirektor Leutz, die Schimper‘schen Sammlungen zu ordnen. Nach 1905 betreute A. Kneucker als nebenamtlicher Kustos die Sammlungen, die er auch nach seiner Pensionierung weiterführte. Das „Badische Landesherbar“ dürfte sein Werk gewesen sein. Es wurde aber beim ersten Luftangriff auf Karlsruhe im Jahr 1942 vernichtet. Die Herbarien Kneucker (ca. 800 umfangreiche Packen), Schimper und Zeyher verbrannten ausgelagert im Schloss.

Nach dem Krieg bildeten Reste der Sammlungen den Grundstock für den Wiederaufbau des heutigen Gefäßpflanzen-Herbars. Außerdem gelangten wichtige Herbarien durch Schenkung oder Ankauf nach Karlsruhe. Zu nennen sind hier die Namen Jauch, Lösch, Machule, Müller, Kraiss und Stoll. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Herbar Döll.

In den letzten Jahrzehnten wurde vor allem die Moossammlung durch G. Philippi (ca. 60.000 Kapseln) stark ausgebaut. Die entsprechenden Daten gingen in das Werk "Die Moose Baden Württembergs" ein. Einen besonderen Schwerpunkt bilden auch die Torfmoose, die im Zusammenhang der paläoökologischen Forschungsarbeiten in Mooren von A. Hölzer bearbeitet wurden (mehr als 15.000 Kapseln). Ein wesentliches Ergebnis ist das 2010 im Weissdorn-Verlag erschienene Buch: "Die Torfmoose Südwestdeutschlands und der Nachbargebiete".

Die Flechten in Karlsruhe wurden über viele Jahre von  H. Schindler ehrenamtlich betreut. Seit 2002 wurde diese Sammlung durch den Direktor (2001-2008) und Flechtenspezialisten  V. Wirth erweitert.

Die mykologischen Sammlungen gewannen erst in der jüngsten Vergangenheit mit der Einstellung des Mykologen M. Scholler an Bedeutung. Er betreut auch die Algensammlung, die überwiegend Belege aus dem 19. Jahrhundert umfasst.

Heute umfassen die botanischen und mykologischen Sammlungen im KR mehr als 495.000 Belege. Damit gehört die Sammlung zu den größten Herbarien in Deutschland.

Viele Belege stammen aus SW-Deutschland, aber vor allem ältere Belege kommen aus der ganzen Welt, einschließlich weiter Teile Europas, Asiens, Ostafrikas und Südamerikas. Großer Wert wird auf das Sammeln von Belegen durch das eigene Personal gelegt, da die genaue Kenntnis des Standortes von besonderer Bedeutung ist.

Das Herbar enthält etwa 300.000 Farn- und Blütenpflanzen, Moose (ca. 75.000 Belege), ein Flechtenherbarium mit ca. 6.000 Belegen, eine Algensammlung (ca. 4.000 Proben). Auch Pilze, die in der Botanik eine Sonderstellung einnehmen, gehören zum Herbarium. Hier wurden bisher über 110.000 Belege erfasst.

Das Herbarium KR ist unersetzlich für wird für Untersuchungen zur Pflanzensystematik, Vegetationskunde, Pflanzengeographie, Naturschutz und ethnobotanische / ethnomykologische Untersuchungen genutzt, und bildet die Basis für genaue Verbreitungskarten, Rote Listen, und exakte Bestimmung von Pflanzen- und Pilzmaterial.

Ethnobotanik und Ethnomykologie

Pflanzen versorgen die Menschheit mit unseren grundlegendsten Ressourcen – Nahrung, Medikamente, Fasern, Baumaterialien und eine Reihe anderer wirtschaftlich wertvoller Produkte und wesentlicher Dienstleistungen. Die Zerstörung von Lebensräumen, die Überernte von Pflanzen, die Ausbreitung invasiver Arten, der Klimawandel und andere menschliche Aktivitäten haben jedoch enorme nachteilige Auswirkungen auf Pflanzen und ihre Ökosysteme. Da jedes Jahr viele Pflanzenarten entdeckt werden, die für die Wissenschaft neu sind, warten viele zweifellos noch auf ihre Entdeckung, und viele gehen für immer verloren, bevor wir die Chance haben, sie zu finden und zu studieren und ihr Potenzial auszuschöpfen. Viele andere, die identifiziert, aber noch nicht mit modernen Methoden auf ihre nützlichen Eigenschaften untersucht wurden, sind vom Aussterben bedroht. Vielleicht gab es noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte ein dringenderes Bedürfnis, die für die menschliche Existenz lebenswichtigen pflanzlichen Ressourcen zu entdecken, zu verstehen, zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.

Ethnobotanik und Ethnomykologie beschäftigen sich mit der Nutzung von Pflanzen und Pilzen durch den Menschen. Ethnobotanik und Ethnomykologie bedeuten dabei einfach die Untersuchung von Pflanzen und Pilzen, die von Menschen in verschiedenen Teilen der Welt verwendet werden, egal ob z.B. im Amazonasbecken, Himalaya, Kaukasus oder im Schwarzwald.

Unsere Arbeit am SMNK zielt darauf ab, das Potenzial von Pflanzen zu entdecken und zu nutzen und diese Ressourcen zu erhalten. Dadurch tragen wir zur Entdeckung neuer Pflanzenprodukte bei. Gleichzeitig arbeiten wir mit Indigenen und Lokalen Gemeinschaften zusammen, um biodiversitätsreiche Gebiete zu schützen und gleichzeitig traditionelles Wissen über Nutzpflanzen zum Nutzen dieser Gemeinschaften und des Wohlergehens der Menschheit zu bewahren und wiederzubeleben. Alle Forschungen von SMNK-Wissenschaftlern werden mit Respekt und strengen Schutzmaßnahmen für die Rechte der Gastländer gemäß den Bestimmungen von CITES, dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt und insbesondere dem Nagoya-Protokoll über Zugang und Vorteilsausgleich durchgeführt.

Die Idee der wissenschaftlichen Ethnobotanik wurde zwar erstmals vom Botaniker John William Harshberger im frühen 20. Jahrhundert vorgeschlagen, aber bereits die Werke von Pedanius Dioscorides z.B. "De Materia Medica" über die medizinischen und kulinarischen Eigenschaften von über 600 mediterranen Pflanzenstellen ethnobotanische Arbeiten dar. Das europäische botanische Wissen erweiterte sich drastisch, nachdem die "Neue Welt" "entdeckt" wurde. Diese Wissenserweiterung kann hauptsächlich auf den beträchtlichen Zustrom neuer Pflanzen aus den Amerikas zurückgeführt werden, darunter Nutzpflanzen wie Kartoffeln, Erdnüsse, Avocados und Tomaten.

Ab dem 18. Jahrhundert wurden oft botanische Sammlungen und Gärten angelegt, wie auch durch Markfräfin Karoline Luise in Karlsruhe der Botanische Garten und das Naturalienkabinett, das heute den Grundstock des SMNK bildet. Die Gründer und Direktoren der Gärten und Sammlungen schickten Botaniker aus, um Pflanzen zu sammeln, um sie ihren Sammlungen hinzuzufügen.

Der erste moderne Ethnobotaniker war Leopold Glück, ein deutscher Arzt, der Ende des 19. Jahrhunderts in Sarajevo arbeitete. Seine Arbeit über die traditionelle medizinische Verwendung von Pflanzen durch die Landbevölkerung in Bosnien (1896) kann als die erste moderne ethnobotanische Arbeit angesehen werden.

Weitere Themen sind ethische Bedenken hinsichtlich der Interaktionen mit indigenen Bevölkerungsgruppen, und die International Society of Ethnobiology hat einen Ethikkodex erstellt, um Forscher zu leiten.