carolinea, 68
(2010): 5-14;
Karlsruhe, 30.12.2010
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Dieser Beitrag geht auf einen gleichnamigen Vortrag zurück,
der am 20. Oktober 2009 im Rahmen des Darwinjahres im
Naturkundemuseum Karlsruhe gehalten wurde.
D
arwin
und die Theologie
1
J
oachim
W
einhardt
Kurzfassung
In der Antike und im Mittelalter herrschte in Europa
eine nur wenig belastete Harmonie zwischen Naturwis-
senschaft und christlichem Glauben. K
opernikus
und
D
arwin
stehen für die zwei größten neuzeitlichen Her-
ausforderungen an die Theologie. D
arwin
selbst vertrat
ursprünglich die Physikotheologie der Barockzeit, die
unter der Entdeckung der Evolution des Lebens zer-
brach. Für seine eigene Person Agnostiker, machte er
doch einen Vorschlag zu einer neuen Synthese von
Christentum und Naturwissenschaft.
Abstract
D
arwin
on Theology
In ancient and medieval Europe there was scarcely
strained harmony between science and christian be-
lief. K
opernikus
and D
arwin
stand for the two greatest
challenges to theology in modern times. D
arwin
at
first shar­ed the view of early modern natural theology,
which got shattered with the discovery of the evolution
of life. Himself an agnostic, D
arwin
made a proposition
for a new synthesis of christian belief and science.
Autor
Prof. Dr. J
oachim
W
einhardt
,
Pädagogische Hochschule
Karlsruhe, Bismarckstr. 10, D-76133 Karlsruhe, E-Mail:
weinhardt@ph-karlsruhe.de
1
Einleitung
Begegnet man demThema „D
arwin
und dieTheo­
logie“, so wird man vermutlich schnell an funda-
mentalistische Christen denken, welche die Evo-
lutionslehre strikt ablehnen. Um dieses Thema
soll es aber an dieser Stelle nur beiläufig gehen.
Die akademische Theologie in England hatte von
Anfang an nur bedingt Probleme mit der Evolu­
tionstheorie (S
chröder
, 2008,
S. 249), und heute
dürfte es in europäischen Ländern keinen Evo-
lutionsgegner auf einem christlich-theologischen
Lehrstuhl geben. Selbstverständlich bleibt es
eine Aufgabe, fundamentalistische Impulse, die
aus den USA über den Atlantik schwappen,
wahrzunehmen und aufzulösen. Diese Aufgabe
jedoch in den Vordergrund zu stellen, entspräche
nicht ihrer sachlichen Dignität.
In diesem Aufsatz wird zunächst die Art von
Theo­logie skizziert, in der D
arwin
ausgebildet
wurde (2). Sodann soll es um die Theologie bzw.
Religionsphilosophie gehen, die D
arwin
selbst
nach seiner Entdeckung der Evolutionstheorie
entwickelte (3). Am Schluss betrachten wir dann,
wie die Evolutionstheorie die Theologie verän-
dert hat (4).
2
Theologie und Naturwissenschaft
vor
D
arwin
2.1
Der physikotheologische Gottesbeweis
Die Theologie vor D
arwin
lebte stark von einem
Theorieelement aus der antiken Philosophie. Es
handelt sich dabei um einen Gottesbeweis, der
besonders in der Stoa gepflegt wurde, einer im
dritten Jahrhundert vor Christus durch Z
enon
von
K
ition
(
gest. 262/61 v. Chr.) in Athen gegründe-
ten philosophischen Schule. Der teleologische
oder auch physikotheologische Gottesbeweis
will aus der Natur (physis) die Existenz Gottes
herleiten. Die beiden Prämissen des Beweises
lauten: Erstens, alles, was eine Ordnung zeigt, ist
von jemandem geordnet worden; zweitens, die
natürliche Welt zeigt viele Ordnungsmerkmale.
Stimmen diese beiden Prämissen, ergibt sich
der logisch zwingende Schluss: Die natürliche
Welt muss von jemandem geordnet, eingerichtet
worden sein. Und damit wäre die Existenz eines
Schöpfergottes erwiesen.
Die erste Prämisse erschien den meisten Men-
schen der Antike als einleuchtend, was auch wir
Heutigen noch nachvollziehen können: Von al-
leine stellt sich – etwa in einem Garten – keine
Ordnung ein. Es kostet schon Mühe, auf einer
naturwüchsigen Bodenfläche einen Garten an-
zulegen, und nach der ersten Anlage verringert
sich die Ordnung des Gartens, wenn keine wei-
teren ordnenden Eingriffe mehr geschehen: Der
Garten verwildert
2
.
Die zweite Prämisse erwuchs aus den natur-
kundlichen Einsichten der antiken Philosophie.