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carolinea, 70
(2012)
ten Insekts entsprechende Einschränkungen der
Gülleausbringung bzw. Insektizidanwendung zu
erlassen.
Durch seine exponierte Lage und den herrlichen
Blick auf das Enztal und Lomersheim ist der
Kammertenberg ein beliebtes Ausflugsziel. Feu-
erstellen, umgeben von stark verarmtem Grün-
land, zeigen, dass das Gebiet intensiv und auch
nachts besucht wird. Diese Freizeitaktivitäten
dürfen nicht zu Beschädigungen der Erdnester
von Wildbienen und der Vegetation sowie zu Stö-
rungen der Brutvögel und Fledermäuse führen.
Die Verordnung sieht hier entsprechende Ein-
schränkungen (Wegegebot, kein Feuermachen
und Lagern) vor.
Naturschutzgebiet „Felsengärten Mühl-
hausen“, Mühlacker im Enzkreis
Wer auf der Bundesstraße 10 zwischen Mühl
acker und Vaihingen unterwegs ist, ahnt nicht,
welches spektakuläre Landschaftsbild sich we-
nige hundert Meter südlich bietet: 70 m tief hat
sich die Enz hier in den Oberen Muschelkalk
eingeschnitten und in einer 180°-Schleife ein
beeindruckendes, im Regierungsbezirk Karlsru-
he einmaliges Panorama geschaffen. Ein 15 m
hohes und 600 m langes Felsenband und un-
glaubliche 70 km Trockenmauern, die den weit-
hin sichtbaren Hang in ca. 20 Terrassen gliedern,
vermitteln den Eindruck eines riesigen Amphi-
theaters. In jedem naturkundlich ausgerichteten
Fotoarchiv finden sich Bilder, die den zu jeder
Jahreszeit großartigen Anblick festhalten. Kaum
eine heimatkundliche Publikation über das Enz-
oder das nahe Neckartal, den Enzkreis oder den
dortigen Weinbau verzichtet auf Erwähnung oder
Abbildung dieses Hangs.
Das 11 ha große Naturschutzgebiet gehört zum
Weinort Mühlhausen, einem Stadtteil der Gro
ßen Kreisstadt Mühlacker.
Das „Handbuch der naturräumlichen Gliede-
rung Deutschlands“ (S
chmidthüsen
& M
eynen
1955) ordnet das untere Enztal der Haupteinheit
„Neckarbecken“ zu, die mit hohen Durchschnitts
temperaturen und geringen Niederschlagsmen-
gen zu den wärmsten Teilen Südwestdeutsch-
lands gehört: Hauptgrund, warum der Weinbau
hier seit 800-900 Jahren die Landschaft prägt
und auch heute die praktisch einzige Nutzung im
Gebiet ist.
Seit mehr als einem Jahrzehnt unterstützt die
Naturschutzverwaltung die Erhaltung der Tro-
ckenmauern dieses Gebietes finanziell. Sie tat
dies mit Bezug auf ein geplantes Naturschutz-
gebiet, welches nun tatsächlich ausgewiesen
wurde. Hierdurch wird das Engagement der Na-
turschutzverwaltung im Gebiet verstetigt und in-
haltlich erweitert: Die Erhaltung des Gesamten,
zu dem sowohl der Steillagen-Weinbau als auch
die im Folgenden beschriebenen, naturschutz-
fachlich wertvollen Lebensräume und Arten ge-
hören, soll auf Dauer ein gemeinsames Anliegen
von Weingärtnern und Naturschützern sein. Da-
mit wird die erfolgversprechende Verbindung von
Naturschutz und Landnutzung aufgegriffen und
vertieft, die das Land Baden-Württemberg mit
seinen PLENUM-Projekten fördert. Das hier be-
handelte Gebiet ist Teil des 2002 eingerichteten
PLENUM-Gebietes „Heckengäu“.
Alle Angaben beruhen, soweit nicht anders an-
gegeben, auf Kartierungen aus dem Jahre 2010
(K
oslowski
2010). Die Gefährdungsgrade sind
entsprechend den aktuellen „Roten Listen des
Landes Baden-Württemberg“ angegeben (Fle-
dermäuse: B
raun
& D
ieterlen
2003, Pflanzen:
B
reunig
& D
emuth
1999, Reptilien: L
aufer
1999,
Wildbienen: W
estrich
et al. 2000, Vögel: H
ölzin
-
ger
et al. 2007).
In diesem Gebiet stehen die natürlichen Felsbil-
dungen mit den begleitenden Felsengebüschen,
die kleinen Magerrasen und mageren Wiesen
sowie die natürlicherweise entstandenen Wälder
im Mittelpunkt des naturschutzfachlichen Inter
esses. Aus drei Gründen erschien es sinnvoll
und notwendig, die angrenzenden Weingärten
in das Naturschutzgebiet einzubeziehen: Zum
Einen sind auch Trockenmauern naturschutz-
fachlich wichtige Landschaftselemente und Le-
bensräume. Zum Anderen nutzen Insekten und
Vögel auch das Blütenangebot der Wildkraut-
fluren in den Weingärten. Darüber hinaus ergab
die Kartierung der natürlichen Lebensräume,
dass sowohl Felsen als auch Felsengebüsch zu
beträchtlichen Teilen auf den Privatgrundstücken
liegen. Da nun aber eine Schutzgebietsgrenze
einerseits nicht mitten durch das Schutzgut ge-
legt werden kann und andererseits aus Gründen
der Rechtsklarheit den Flurstücksgrenzen folgen
soll, wurde vorgeschlagen, die Weinberge in das
Naturschutzgebiet einzubeziehen. Dieser Vor-
schlag wurde von den Weingärtnern akzeptiert.
Felsen
,
Felsköpfe, Schutthalden am Felsfuß
und Felsengebüsche
Der Fels besteht aus reich strukturierten, durch
mehrere Bänder und Vorsprünge gegliederten