Carolinea 74

T rusch : 175 Jahre Naturwissenschaftlicher Verein Karlsruhe 105 Aber hat O berdorfer wirklich Recht? Eine wei- tere Quelle spricht dafür: der „Vorbericht“ von 1862 im ersten Band der Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe, er- schienen 1864, Seiten 1-4. Dort ist zu lesen: „Vor 23 Jahren wurde in Karlsruhe durch die Professoren A lex . B raun , F r . A. W alcher und W ilh . E isenlohr ein Verein gegründet, welcher den Zweck hatte durch öffentliche Vorträge zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse beizutragen.“ Dieser Text wurde 1863 geschrie- ben, das Jahr 1840 wird folglich auch hier als Gründungsjahr bestätigt. So gibt diese, von o.g. Buch unabhängige Quelle ebenfalls O berdorfer (1952) Recht. – Nur an welchem Tag und wo ge- nau wurde der Verein im Jahr 1840 gegründet? Eine dritte Quelle, die hierzu Auskunft gibt, findet sich in der „Kurzen Geschichte des Naturwissen- schaftlichen Vereins in Carlsruhe“, einemVortrag, gehalten von Prof. B irnbaum zur 100. protokol- lierten Vereinssitzung. Dort ist ausgeführt, dass die Gründungsversammlung dieses „Vereins für naturwissenschaftliche Mittheilungen“ am 16. November 1840 im Auditorium für Chemie im Polytechnikum (heute Karlsruher Institut für Tech- nologie, KIT) stattfand. Damit ist nun auch das der Vergessenheit anheimgefallene exakte Grün- dungsdatum wieder hervorgeholt und auch die genaue Lokalität der Vereinsgründung. Weiterhin können wir B irnbaum (l.c.) entnehmen, dass die- ser Verein eine erste Blütezeit in den Jahren 1840 bis 1847 erlebte. Danach kam die Vereinstätigkeit durch die Revolution in Baden zeitweise zum Er- liegen. Einzelne Mitglieder führten den Verein in privatem Rahmen in den 1850er Jahren weiter, bis der Kreis wieder so groß wurde, dass man in das „Café Beck“ und später in den „Grünen Hof“ ging, um sich zu treffen. – Somit kann diese erste Phase von 1840 bis 1862 als „Gründungsphase“ des NWV bezeichnet werden. Geregelte Phase von 1862 bis zum ersten Weltkrieg Bereits 1858 fand in Karlsruhe unter starker An- teilnahme des Großherzogs F riedrich von B aden die Naturforscherversammlung statt. Auf den Wunsch des Großherzogs hin wurde ein „Ver- ein für wissenschaftliche Belehrung“ gegründet. Die öffentlichen Vorträge dieses neuen Vereins fanden ein großes Echo, und auch der frühere „Verein für naturwissenschaftliche Mittheilungen“ lebte wieder auf. Unter F ridolin von S andberger wurden daher die veralteten Statuten neu ge- fasst, und es kam am 9. April 1862 schließlich zur Gründung des „Naturwissenschaftlichen Ver- eins zu Carlsruhe“ – des heutigen Naturwissen- schaftlichen Vereins Karlsruhe e.V. Es liegt nahe, die Zeit ab 1862 mit neuem Statut als „geregelte Phase“ zu bezeichnen, denn die Sitzungen werden von nun an fortlaufend num- meriert, und es finden oft zwei oder mehr Sit- zungen im Monat statt. Als maßgebliche Person dieser Anfangszeit muss, trotz seines verhältnis­ mäßig kurzen Aufenthalts in Karlsruhe, F ridolin von S andberger gelten (siehe Ausstellungstexte). Mit der Herausgabe der „Verhandlungen des Na- turwissenschaftlichen Vereins Carlsruhe“ beginnt eine Ära, die der Nachwelt wichtige Informationen zum Verein in publizierter Form erhält. Die „Ver- handlungen“ werden allerdings nur in unregelmä- ßiger Folge gedruckt (z.B. erscheinen die Bände 3 + 4 1869, der Band 5 1871, Band 6 1873, Band 7 1876, Band 8 1881, Band 9 1883, Band 10 1888, Band 11 1896, Band 12 1898 bzw. Band 13 1900) und umfassen von Band 1 (1864) bis zum letzten Band im Jahr 1935 insgesamt 31 Bände. Die Mitglieder des NWV waren um 1862 zu 40 % Ärzte, 25 % Professoren und Gelehrte, 20 % Staatsbeamte und Offiziere, 12,5 % Bürger, von 2,5 % lagen keine Angaben vor. Der Jahres- beitrag betrug 2fl. 42kr. (Die Abkürzung fl. steht für den Rechnungs- oder Silbergulden, von der ersten Goldmünze dieser Art, dem Florentiner, Fiorino d’oro, leiten sich sowohl die Namen Flo- ren oder deutsch Florene ab.) – Zum Vergleich: die Wochenkosten eines 5-Personenhaushaltes betrugen um 1850 ca. 3-4 fl. Jetzt stand nicht mehr allein die Vermittlung naturwissenschaft- licher Kenntnisse im Vordergrund, sondern der Vereinszweck bestand auch darin, möglichst viele Naturwissenschaftler und Interessenten zu- sammenzubringen. Zugleich flossen 2.000 fl. des früheren „Vereins für wissenschaftliche Beleh- rung“ an den neu formierten Naturwissenschaft- lichen Verein, eine beachtliche Summe! Damit war die Herausgabe einer Zeitschrift möglich, und so konnte die schon 1845 gefasste Absicht, Sitzungsberichte zu drucken, endlich verwirklicht werden. Aus den Sitzungsberichten kann man z.B. erfah- ren, dass seit 1879 der Großherzog an einzelnen Sitzungen des NWV teilnahm oder dass wegen des Erdbebens in Baden am 24. Januar 1880, welches als „Rheinisch-schwäbisches Beben“ in die Annalen einging, am 6. Februar 1880 im NWV die Einrichtung einer Erdbebenkommis­ sion in die Wege geleitet wurde (Initiatoren: Großherzog F riedrich , F ranz G rashof ). Der Be-

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