Carolinea 74

130 Carolinea 74 (2016) Die Behaarte Rossameise besiedelt in Mitteleu- ropa vorwiegend extrem trockenwarme Lebens- räume wie lichte Kiefernwälder auf Sanddünen, xerotherme Lichtungen und Trockenrasen und legt ihre Kolonien meist in liegendem Totholz, ge- legentlich auch unter Steinen an ( H eller 1994, S eifert 2007). Das Auftreten in der feuchtwarmen Rheinaue auf eutrophen Standorten mit üppiger Vegetation ist eher untypisch. Auch weist ein ein- zelnes Volk an einem anthropogen geprägten Standort nicht auf ein beständiges, autochtho- nes Vorkommen. Wie kann es hierher gekom- men sein? Möglich wäre eine Verschleppung mit Totholz, wahrscheinlicher ist aber, dass C. vagus eingewandert ist, da die Geschlechtstiere ver- mutlich größere Strecken zurücklegen können ( H eller 1994, S eifert 2007). Einen optimalen Lebensraum, Kiefernwälder auf Sanddünen, gibt es nicht weit von Plitters- dorf entfernt zwischen Karlsruhe und Stollhofen. Doch hier konnte C. vagus weder vom Autor noch von anderen Entomologen bislang beobachtet werden. Aus dem benachbarten Elsass ist dem Autor die Art aus den nördlichen Vogesen bereits seit 1990 bekannt. Eine Nachsuche auf eiszeit- lichen Sandböden der Rheinebene ebenfalls im Elsass im nahgelegenen Hagenauer Forst er­ gab in kurzer Zeit mehrere Funde der Behaarten Rossameise. Meistens fanden sich die Kolonien in lichten Kieferwäldern und entlang der Forst- wege an Baumstümpfen, in einzeln liegenden Baumstämmen oder aufgesetzten Stammpol- dern. Ein weit nach Osten fast bis an den Rhein reichender Ausläufer des Hagenauer Forstes ist der Hattener Forst, der auf den trockenen Hardt­ flächen stockend, sich bis nach Seltz erstreckt. Hier am Ortsrand von Seltz fand der Autor in einem Buchenstumpf ebenfalls ein Volk von Camponotus vagus . Die Strecke zu den Funden bei Plittersdorf beträgt etwa 5 Kilometer und wird vom Rheinstrom und damit der Staatsgrenze zwischen Frankreich und Deutschland durch- zogen. Diese Distanz kann von den flugfähigen Königinnen – unter Umständen unterstützt von den vorherrschenden Westwinden – sehr wahr- scheinlich überwunden werden, so dass man davon ausgehen kann, dass die Behaarte Ross­ ameise sich aus dem Elsass auf die badische Rheinseite ausgebreitet hat. Überraschend bleibt, dass aus den trockenhei- ßen Lebensräumen der badischen Hardtwälder mit ihren Kiefernwäldern auf Sanddünen bisher keine Funde bekannt geworden sind, beträgt die Entfernung zu dem nächsten elsässischen Vorkommen doch auch nur etwa zehn Kilome- ter. Vielleicht ist die Behaarte Rossameise aber auch im Hagenauer Forst noch nicht lange so gut verbreitet wie derzeit, obwohl für das dortige Vorkommen Nachweise aus über 100 Jahren vorliegen. 2013 konnte der Autor ein weiteres Vorkommen von Camponotus vagus diesmal nördlich von Plittersdorf beobachten. Es liegt in der rezenten Rheinaue am Rand eines ehemaligen, in den vergangenen Jahren renaturierten Kiesgru- bengeländes im Naturschutzgebiet „Rastatter Rheinaue“. Das individuenreiche Volk besiedelt den sonnenexponierten Baumstumpf einer Pap- pel, die am oberen Rand einer Schlute steht. Von dieser Kolonie ausgehend, verlief eine Amei- senstraße nach Norden über eine Entfernung von etwa 70 Meter durch das trockene Gelände der ehemaligen Kiesgrube bis zu einem etwa 20 cm starken, am Boden liegenden Pappelast. 2014 wurde im Rahmen von forstlichen Renatu- rierungsmaßnahmen diese Ameisenstraße und der günstige trockenwarme Lebensraum durch Abbildung 1. Die Behaarte Rossameise Camponotus vagus ist eine polymorphe Art, ihre Arbeiterinnen kön- nen unterschiedlich groß sein, verschieden aussehen und unterschiedliche Aufgaben in ihrer Kolonie überneh- men. Plittersdorf, 17.8.2015 – Foto: W olfgang R einhard .

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