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Flechtenrelvante Lebensräume
Lückige Grasbestände
Einen bedeutenden Flechtenlebensraum stellen
die zahlreichen
Böschungen
im Offenland dar,
die insbesondere entlang von Straßen, Feldwe-
gen oder im Bereich früherer Ackerterrassen zu
finden sind. Auf solchen stärker geneigten Flä-
chen ist die Bodenauflage durch Erosionsvor-
gänge zumeist reduziert, vielfach tritt auch das
Ausgangsgestein zutage. Als Folge hiervon sind
Böschungen oft nicht nur lückig bewachsen, son-
dern weisen stellenweise auch offene Bodenstel-
len auf. Solche konkurrenzschwachen Standorte
sind bevorzugte Wuchsorte vieler Boden bewoh-
nender Flechtenarten, die in unserer heutigen
Kulturlandschaft ansonsten kaum mehr geeigne-
te Siedlungsmöglichkeiten finden.
Arten:
Collema limosum
,
Endocarpon pusillum
,
Gregorella humida
,
Lempholemma chalazanum
,
Leptogium imbricatum
,
L. subtile
,
L. tenuissi-
mum
,
Peltigera canina
,
P. neckeri
,
P. polydacty-
lon
,
Placidium squamulosum
,
Steinia geophana
,
Thelidium zwackhii
,
Thelocarpon citrum
,
Throm-
bium epigaeum
,
Vezdaea retigera
Magerrasen
über basen- oder kalkreichem Un-
tergrund sind lediglich sehr vereinzelt entlang der
Bergstraße (Löss) sowie am südöstlichen Rand
des Odenwaldes (Muschelkalk) im Übergang
zum Bauland ausgebildet. Trotz ihrer geringen
Flächenausdehnung sind sie jedoch bedeutende
Lebensräume für eine beträchtliche Zahl von an-
sonsten kaum konkurrenzfähigen Flechtenarten.
Viele von ihnen sind innerhalb des Odenwaldes
sogar ausschließlich in Magerrasen vertreten.
Noch im 19. Jahrhundert müssen Halbtrocken-
rasen bzw. vergleichbare Bestände an der Berg-
straße weiter verbreitet gewesen sein, auch
wenn sie neben dem Weinbau sicherlich immer
eine untergeordnete Rolle gespielt haben und
niemals größere Flächen einnahmen. Heutzuta-
ge konzentrieren sich die verbliebenen Halbtro-
ckenrasen in einem rund 10 km langen Abschnitt
zwischen Bensheim und Hemsbach. Durch
Pflegemaßnahmen wird dort versucht, deren
Bestand zu sichern, doch bleibt abzuwarten, ob
dies auch langfristig gelingt.
Boden bewohnende Arten:
Agonimia vouauxii
,
Cetraria aculeata
,
C. islandica
,
Cladonia foli-
acea
,
Diploschistes muscorum
,
Leptogium schra-
deri
,
Psora decipiens
,
Toninia physaroides
Arten auf Silikatgestein:
Lobothallia praeradiosa
,
Phaeophyscia hirsuta
,
Xanthoparmelia somloën-
sis
Arten auf Kalkgestein:
Clauzadea metzleri
,
Hy-
menelia prevostii
,
Rinodina immersa
,
Verrucaria
baldensis
,
Verrucaria calciseda
Anthropogene Strukturen und Substrate
Mauern
und andere vom Menschen geschaffe-
ne Strukturen bieten Gesteinsflechten Ersatzsub-
strate und erlauben Vorkommen auch in von
Natur aus felsfreien oder felsarmen Gebieten.
Dies gilt in besonderem Maße für alte, lichtof-
fene, unverfugte (Trocken-) Mauern aus Silikat-
gestein. Erfreulicherweise besitzt der Odenwald
noch eine große Zahl solcher auch aus kultur-
historischer Sicht bedeutsamer Strukturen. Von
besonderer Bedeutung für die Flechten ist das
Mauerwerk der Burgruinen an der Bergstraße
und im Neckartal sowie der in den meisten Orten
des Odenwaldes bestehenden Friedhöfe. Infolge
des hohen Alters solcher Mauerstandorte konnte
sich vielfach eine reiche Flechtenflora entwickeln.
Deren Fortbestand ist aber im Fall der Burganla-
gen massiv durch fortwährende Restaurierungs-
und Sicherungsmaßnahmen gefährdet. Deutlich
günstiger stellt sich die Situation der in der Regel
aus regionaltypischem Silikatgestein errichteten
Friedhofsmauern dar. Instandsetzungsmaßnah-
men beschränken sich zumeist auf kurze Ab-
schnitte bzw. Teile der Mauer, was eine von
angrenzenden alten Mauerabschnitten ausge-
hende Neubesiedlung erleichtert.
Arten:
Acarospora umbilicata
,
A. versicolor
,
Ago-
nimia tristicula
,
Aspicilia recedens
,
Caloplaca
albolutescens
,
C. flavovirescens
,
Collema flac-
cidum
,
Diploicia canescens
,
Dirina stenhamma-
rie, Gyalecta jenensis
,
Lecania caeruleorubella
,
L. suavis
,
Lecanora garovaglii
,
L. pannonica
,
L. sulphurea
,
Lecidella meiococca
,
Leprocaulon
microscopium
,
Leptogium gelatinosum
,
L. plica-
tile
,
L. teretiusculum
,
Opegrapha calcarea
,
O.
demutata
,
Peltigera praetextata
,
Phaeophyscia
sciastra
,
Physcia dimidiata
,
P. wainioi
,
Psoroti-
chia schaereri
,
Rhizocarpon petraeum
,
Rinodi-
na teichophila
,
Sarcogyne privigna
,
Staurothele
rugulosa
,
Toninia aromatica
,
Verrucaria fuscella
,
Xanthomendoza fallax
Eine besondere regionaltypische Form von an-
thropogenen Gesteinsstrukturen stellen die
Stellsteine
dar. Solche in manchen Teilen des
Odenwaldes bezeichnenderweise auch Wehr-
steine genannte Strukturen wurden nachweislich
seit dem 18. Jahrhundert vielerorts im Sandstein-
Odenwald entlang von in die Feldflur führenden
Wegen aufgestellt zum Schutz der Gärten und
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