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Carolinea 72

(2014): 5-13, 4 Abb.; Karlsruhe, 15.12.2014

5

Statusbericht: Zur Anatomie und Paläoökologie

des basalen Boviden

Miotragocerus

pannoniae

aus der obermiozänen (MN 9;

10,3 Ma) Fundstelle Höwenegg (Immendingen,

Hegau, Deutschland)

D

ominik

W

olf

Kurzfassung

Die süddeutsche Höwenegg-Fundstelle bei Immendin-

gen im Hegau ist bekannt für ihre zahlreichen vollstän-

dig oder teilweise erhaltenen Skelette von Säugetieren

des späten Miozäns. Das häufigste Taxon der Fund-

stelle ist ein basaler boselaphiner Bovide,

Miotrago-

cerus pannoniae

. Trotz der Häufigkeit dieses Taxons

wurde die Erforschung bzw. die Publikation von For-

schungsergebnissen hinsichtlich

Miotragocerus

vom

Höwenegg bisher weitgehend vernachlässigt. In einem

neuen Forschungsprojekt wird jetzt die generelle und

funktionale Anatomie und Taphonomie von vier kürz-

lich gefundenen und (teil-) präparierten

Miotragocerus

-

Skeletten beschrieben und mit Material aus früheren

Grabungen unter Berücksichtigung von bisherigen,

nicht publizierten Erkenntnissen verglichen. Insgesamt

eignet sich das gesamte Material der Fundstelle beson-

ders zur Erforschung von Fragen zur Ontogenie und

zum Geschlechtsdimorphismus (vor allem in Bezug auf

die Hornzapfen) dieses Boviden. Darüber hinaus wird

anhand von Mesowear und Microwear-Methoden die

Ernährung von

Miotragocerus

im Kontext der paläo­

ökologischen Untersuchung der Höwenegg-Lokalität

untersucht.

Abstract

The Höwenegg locality near Immendingen in the He-

gau region, southern Germany, is known for its numer-

ous completely or partially preserved skeletons of late

Miocene mammals. The most abundant taxon at the

locality is a basal boselaphine bovid,

Miotragocerus

pannoniae

. Despite the large number of specimens

belonging to this species, the research on and publi-

cation of scientific results concerning Höwenegg

Mi-

otragocerus

, respectively, has been largely neglected

so far. Currently, the general and functional anatomy

and taphonomy of four recently discovered and (par-

tially) prepared skeletons of

Miotragocerus

is being de-

scribed and, in consideration of previous, unpublished

findings, compared to material recovered during earlier

excavations. The

Miotragocerus

material known from

the locality on the whole is particularly suitable for the

study of questions regarding the ontogeny and sexual

dimorphism (especially with respect to the horn cores)

of this bovid. Utilizing mesowear and microwear meth-

ods, this study furthermore investigates the paleodiet

of

Miotragocerus

in the context of the paleoecological

assessment of the Höwenegg locality.

Autor

D

ominik

W

olf

, Forschungsinstitut und Naturmuseum

Senckenberg, ROCEEH, Senckenberganlage 25,

D-60325 Frankfurt am Main

Einleitung

Die Höwenegg-Fundstelle wurde sowohl in den

1950er und 60er Jahren unter

T

obien

& J

örg

(z.B.

J

örg

1951, T

obien

1951, 1982, 1986

) als

auch in einer erneuten Grabungskampagne seit

2003 (

H

eizmann

et al

. 2003, M

unk

et al

. 2007

)

intensiv unter der Leitung der Staatlichen Mu-

seen für Naturkunde in Karlsruhe und Stuttgart

sowie der Howard University, Washington, DC,

und unter Beteiligung von WissenschaftlerInnen

und MitarbeiterInnen weiterer Institute ergraben.

Die beiden Haupt-Grabungsphasen förderten

reiche Skelettfunde vor allem von boselaphinen

Boviden (

Miotragocerus pannoniae

), hippario-

nen Pferden (

Hippotherium primigenium

) und

Nashörnern (

Aceratherium incisivum

) sowie,

seltener, des Hirschferkels

Dorcatherium

und

eines Muntjaks zutage; insgesamt wurden bisher

47 vollständige oder teilweise erhaltene Skelette

von Säugetieren sowie weitere von Schildkröten

und Fischen geborgen (z.B.

T

obien

1986, J

örg

& R

othausen

1991, B

ernor

et al. 1997,

M

unk

et

al. 2007,

M

ittmann

pers. Komm.). Weitere, in der

Regel aus Einzelknochen oder Zähnen beste-

hende Wirbeltier-Überreste stammen von Cha-

licotherien (Krallentieren), D(e)inotherien und

verschiedenen Carnivoren, darunter Scheinsä-

belzahnkatzen, Säbelzahnkatzen und Bären-

hunde. Darüber hinaus wurden Fossilien u.a. von

Reptilien, Invertebraten und Pflanzen gefunden.