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Carolinea 71
(2013)
solch aberranter und auffallender Hühnerrassen
im Jahr 1870 liegen mehr als 150 Jahre. Das sind
mehr als 100 Hühnergenerationen. In mensch-
liche Generationsfolgen gerechnet mit 30 Jah-
ren/Generation entspräche das 3.000 Jahren.
Dies ist, umgerechnet in Generationsfolgen, ein
beachtlicher Zeitraum. Die von vielen Züchtern
berichteten und von den Fachautoren wiederge-
gebenen Schwierigkeiten bei dem Erzielen des
typischen Kamms in Zusammenhang mit den hier
vorgestellten Bilddokumenten belegen, dass die
Erbanlage bereits vor der Erzüchtung der Augs-
burger in den Jahren 1880 bis 1883 in den loka-
len Landschlägen vorhanden war und gelegent-
lich herausmendelte. Und auch nach 130 Jahren
gezielter Zucht wird bei den Augsburger Hühnern
der Kronenkamm nicht rein vererbt. Dieser ist im-
mer noch spalterbig
,
25% der Nachkommen tra-
gen Hörnerkämme, 25% Einfachkämme und nur
50% die geforderten Becherkämme. Vermutlich
ist der Rassestandard hinsichtlich Kammausbil-
dung beim Augsburger Huhn doch etwas zu eng
gefasst, um dem komplexen Erbgang in der Pra-
xis gerecht zu werden.
6 Ausblick
Diese Zusammenstellung macht deutlich, dass
man eigentlich jede über lange Zeiträume ent-
standene Nutztierrasse als kulturhistorische
Leistung unserer Vorfahren ansehen kann, die
es als wertvolles „Kulturerbe der Menschheit“
zu bewahren gilt. Das Aussterben von Haus-
tierrassen bedeutet also nicht nur einen Verlust
an „Agrobiodiversität“. Um diesen zu bekämp-
fen sind mittlerweile zahlreiche nationale und
internationale Programme aufgelegt worden
(Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz 2008). Man hat
eingesehen, dass mit den in ihrer Existenz be-
drohten Rassen möglicherweise wichtige Allele
für die Anpassungsfähigkeit und Überlebensfä-
Abbildung 23. Caumont-Hühner aus dem alten französischen Rassestandard (
V
oitellier
1910).