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Carolinea 71

(2013)

ten und der Verbreitung dieses Merkmales: Spa-

nien war etwa 800 Jahre lang unter maurischer

Herrschaft, die erst mit der Reconquista und dem

Fall von Granada mit der Vertreibung des letzten

maurischen Herrschers

B

oabdil

1492 beendet

wurde. In dieser Zeit existierte ein intensiver Wa-

ren- und Wissensaustausch zwischen den christ-

lichen und maurischen Königreichen auf der

spanischen Halbinsel, der sicher nicht nur auf

den Handelswegen ins Landesinnere stattfand,

sondern auch zur See die damaligen spanischen

Provinzen wie die Niederlande erreichte.

Die Niederlande waren 1477 unter die Herrschaft

der Habsburger gekommen. Bis zum Westfä-

lischen Frieden 1648 gehörten sie damit zur Spa-

nischen Krone, das heutige Belgien bis 1713. Vor

allem unter der Herrschaft von

K

arl

V.

(1500 –

1558), in Personalunion auch König von Spanien,

erstarkten neben Ackerbau und Viehzucht eben-

so Handel und Gewerbe. Bis zur Mitte des 17.

Jahrhunderts hatten die Niederländer die bei wei-

tem größte Handelsflotte Europas aufgestellt, mit

mehr Schiffen als alle anderen Nationen zusam-

mengenommen. Das auf diesem wirtschaftlichem

Erfolg gründende Goldene Zeitalter (niederl.: de

Gouden Eeuw) bezeichnet in der Geschichte

der Niederlande eine rund einhundert Jahre an­

dauernde wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit,

die ungefähr das 17. Jahrhundert ausfüllt und

auch in der Kunstgeschichte ohne Beispiel ist.

Auf dem Höhepunkt des Goldenen Zeitalters um

1650 arbeiteten in den Niederlanden circa 700

Maler, die jährlich etwa 70.000 Gemälde fertig-

stellten. Insgesamt produzierten die niederlän-

dischen Maler mehrere Millionen Gemälde, wes-

halb man heute in nahezu jedem Museum für alte

Kunst niederländische Gemälde antreffen kann.

Traditionelle kirchliche Bildthemen wurden in den

Niederlanden seit der Reformation indessen als

„katholisch“ abgelehnt. Protestantische Bürger

wollten ihre Religiosität, ihre Lebensführung und

ihre ureigenen Themen und Probleme – in erster

Linie also sich selbst in ihrem beruflichen und pri-

vaten Umfeld – verewigt sehen. Dies führte zur

Ausprägung neuer Bildgattungen und Erfindung

neuer Bildthemen. Gleichzeitig setzte eine nie da-

gewesene Spezialisierung innerhalb der Malerei

ein:

W

illem van de

V

elde

hatte sich auf Schiffe spe-

zialisiert,

P

aulus

P

otter

malte Tierbilder, bald nur

noch Rinder,

P

hilips

W

ouwerman

Pferde, haupt-

sächlich Schimmel,

M

elchior

d

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ondecoeter

be-

schränkte sich fast ausschließlich auf Vögel,

J

an

van

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uysum

auf Blumen oder

A

braham

van

B

eije

-

ren

auf Austern, Hummer und Früchte.

Mit den gewaltigen Warenströmen gelangte si-

cher auch Wirtschaftsgeflügel ins Land, zumal

Abbildung 16. Von

A

el

­

bert

J

acobzon

C

uyp

stammt das Porträt

dieses Hahns mit einem

besonders

schönen

Kronenkamm (in der

Bildmitte liegend, Aus-

schnitt aus dem Ge-

mälde „Fowl“, um 1650)

(Groeningemuseum

,

Brügge).