
56
Carolinea 71
(2013)
3.3.3 Natürliche Bewegungen und
Wirtsfindung . . . . . . . . . . 68
3.3.4 Populationsdynamik . . . . . . . 69
3.3.5 Interspezifische Interaktionen . . . 70
3.3.6 Modelle zur Zeckenverteilung in der
Landschaft . . . . . . . . . . . 70
3.4 Zecken-Wirt-Interaktionen . . . . . 71
3.4.1 Wirtswahl . . . . . . . . . . . 71
3.4.2 Wirtsfindung . . . . . . . . . . 71
3.4.3 Wirts-Immunität . . . . . . . . . 72
3.4.4 Immunosuppression . . . . . . . 72
3.4.5 Mortalität und Morbidität bei den
Wirten . . . . . . . . . . . . 73
3.5 Ökologie der Wirte . . . . . . . . 73
3.6 Pathogen-Zecken-Wirt-Interaktionen . 76
3.7 Bezug zum Menschen . . . . . . 78
3.7.1 Wichtige humanpathogene zecken-
übertragene Krankheiten in
Baden-Württemberg . . . . . . . 78
3.7.2 Haustierbesitzer (Hunde, Tauben) . . 82
3.7.3 Weitere Gefährdungen . . . . . . 82
3.7.4 Vorsichtsmaßnahmen . . . . . . 83
3.7.5 Repellents . . . . . . . . . . . 83
4
Bekämpfung von Zecken und
zeckenübertragende Krankheiten . . 84
5
Fazit . . . . . . . . . . . . . 86
Danksagung . . . . . . . . . . . . 87
Literatur . . . . . . . . . . . . . . 87
Glossar . . . . . . . . . . . . . . 98
1 Einführung
In den letzten Jahren hat sich die Zahl der be-
kannten zeckenübertragenen Pathogene
be-
merkenswert erhöht. Zecken sind damit die
wichtigsten
Vektor
en, also Überträger, von Tier-
krankheiten sowie die zweitwichtigsten Vektoren
humanmedizinisch relevanter Erkrankungen
weltweit. Allein in Deutschland wurden zwischen
1990 und 2004 mindestens acht humanpatho-
gene oder potenziell humanrelevante Erreger
aus den Bakteriengattungen
Borrelia
,
Rickettsia
und
Anaplasma
nachgewiesen (
S
üss
&
S
chrader
2004,
S
üss
et al. 2004). Die in Baden-Württem-
berg bekannten oder möglicherweise präsenten
Krankheitserreger sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Einige erst kürzlich entdeckte, aber offenbar
weitverbreitete Arten, wie beispielsweise die
von der Auwaldzecke
Dermacentor reticulatus
übertragene
Candidatus
Rickettsia kotlanii
(
Ri-
ckettsia
RpA4,
S
reter
-L
ancz
et al. 2006) wurden
bislang ökologisch und epidemiologisch kaum
untersucht. Und was über Jahre als
Borrelia
burgdorferi
sensu lato
(s.l.) bezeichnet wurde,
entpuppt sich neuerdings als aus mindestens
fünf separaten
Genospezies
zusammengesetz-
te Artengruppe. Allein in Deutschland schätzt
man die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen an
Borreliosen beim Menschen auf 60.000-100.000
(
F
ischer
&
S
iegmund
2007). Daten aus einigen
deutschen Bundesländern weisen auf ein ste-
tiges Anwachsen der Durchseuchung hin (
T
alas
-
ka
2002,
K
ampen
et al. 2004).
Obwohl Borreliose im Anfangsstadium gut zu
behandeln ist, kann sie in späteren Krankheits-
stadien zu entzündlichen Herz- (
Karditis)
und
Gelenkerkrankungen (Arthritis) sowie Nerven-
erkrankungen (Neuroborreliose) führen (
H
eng
-
ge
et al. 2003). Die Kosten, die durch
Borrelia-
burgdorferi-
s.l.-Infektionen entstehen, variieren.
Schnelle Diagnosen umfassen für gewöhnlich
einen Besuch beim Hausarzt, einen Bluttest und,
bei einem positiven Befund, eine Antibiotika-The-
rapie. Die Behandlung disseminierter Borreliose-
Fälle (Fälle, in denen der Erreger im Körper be-
reits gestreut hat), wird dagegen erheblich teurer
(
T
alaska
2002;
H
enningson
et al: 2010;
M
üller
et al. 2012).
M
üller
et al. (2012) schätzten die
jährlichen Gesamtkosten für die Diagnose von
Borrelia
-Infektionen in Deutschland auf über 51
Millionen Euro. Zeckenübertragene Krankheiten
stellen demnach eine signifikante ökonomische
Belastung für die Allgemeinheit dar.
P
oggensee
et al. (2008) veröffentlichten einen
Bericht über Lyme-Borreliose: „Forschungsbe-
darf und Forschungsansätze.“ Ihre Untersu-
chungsempfehlungen beinhalten zahlreiche dia-
gnostische, immunologische, epidemiologische,
klinische und ökologische Aspekte. Die Autoren
ließen jedoch einen wichtigen Punkt außer Acht,
der mit der Wahrscheinlichkeit von menschlichen
Infektionen mit
Borrelia burgdorferi
s.l. und an-
deren Pathogenen zusammenhängt: die Ein-
wirkung der Dynamik der Wirtstierpopulationen.
Anhand von Daten aus Europa und Nordameri-
ka wird aber immer deutlicher, dass Zecken und
die von ihnen übertragenen Pathogene nicht als
voneinander unabhängige Probleme betrachtet
werden können. Eher stellen sie ein komplexes
System von Interaktionen dar, mit welchem der
Wirt eng verknüpft ist. Um die Epidemiologie von
zeckenübertragenen Krankheiten zu verstehen,
müssen alle Ebenen dieses komplexen Systems
untersucht und die Ergebnisse ganzheitlich be-
trachtet werden.
Unser Ziel ist eine kritische Analyse des gegen-
wärtigen Wissenstands zur Epidemiologie und