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62

Carolinea 71

(2013)

ten und Informationen über den Klimawandel

das bestehende Modell erweitern und somit die

Ausbreitung von

Ixodes scapularis

in nördlichere

Gebiete, vor allem Kanada (unterstützt durch ein

unabhängiges Modell von

O

gden

et al. 2005) und

die mittlere USA, sowie den Rückgang der Zecke

im Südosten der USA vorhersagen (

B

rownstein

et al. 2005). Dieses Modell kann aber nicht dazu

verwendet werden, Prognosen über jährliche

Veränderungen aufzustellen.

Unter geeigneten klimatischen Bedingungen

scheint die lokaleVerbreitung der Zecken von den

vorhandenen Wirten abzuhängen.

O

stfeld

und

Kollegen (

O

stfeld

et al. 1996,

J

ones

et al. 1998,

O

stfeld

et al. 2001) zeigten, dass die Anzahl der

Nymphen von

Ixodes scapularis

– dem

Entwick-

lungsstadium

, das am häufigsten Borrelien auf

den Menschen überträgt (

T

sao

et al. 2004) – in

klimatisch normalen Jahren nicht direkt vom Kli-

ma abhängig ist, aber direkt von der Anzahl an

Eicheln, die von lokalen Eichenpopulationen 1,75

Jahre vorher produziert wurden. Eicheln sind die

Hauptnahrungsquelle von Nagern (hauptsäch-

lich die Weißfußmaus

Peromyscus leucopus

),

die bei einem großen Nahrungsangebot (

Mast-

jahr

) viele für Krankheitserreger

empfänglich

e

Nachkommen produzieren können (Abb. 5). Die

hohe Populationsdichte empfänglicher Wirte er-

höht die Wahrscheinlichkeit, dass Zecken einen

mit Borrelien infizierten Wirt finden. Dies wie-

derum erhöht die Dichte infizierter Zecken und

damit die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen

ebenfalls angesteckt werden. In klimatisch ex-

tremen Jahren, beispielsweise in Dürrephasen,

kann sich die Beziehung zwischen Eicheln und

Borrelia-burgdorferi

-Infektionsmustern

verän-

dern, da diese klimatischen Bedingungen die

Überlebensrate von Wirten und Zecken senken

(

S

chauber

et al. 2005).

3 Pathogen-Zecken-Wirt-Systeme

3.1 Ökologie der Pathogene

Es gibt eine große Anzahl an Viren, Bakterien

(einschließlich

Rickettsien

) und Einzellern (Pro-

tozoa), die von Zecken übertragen werden. In

Deutschland ist das durch Zecken übertragene

Virus der Frühsommer-Meningoenzephalitis

(FSME) das aus menschlicher Sicht wichtigste

virale Pathogen (

F

aulde

&

H

offmann

2001,

S

üss

2008). Es gibt daneben auch eine breite Span-

ne von bakteriellen zeckenübertragenen Patho-

genen:

Borrelia afzelii, Borrelia burgdorferi

s.s.,

Borrelia garinii, Borrelia spielmanii, Borrelia va-

laisiana, Coxiella burnetii, Francisella tularensis,

Rickettsia slovaca

usw. (

F

aulde

&

H

offmann

2001,

S

üss

et al. 2004). Die Erreger des

Borrelia-burg-

dorferi

-s.l.-Komplexes sind bei Weitem die häu-

figsten und medizinisch wichtigsten vektorüber-

tragenen Krankheitserreger in Deutschland (

S

üss

et al. 2004). Protozoäre Pathogene, wie

Babesia

divergens

, sind für die menschliche Gesundheit

weniger signifikant; die meisten Infektionen kom-

men hier bei Patienten mit einer geschwächten

Immunabwehr vor (

H

äselbarth

et al. 2007).

Wichtig ist, dass die epidemiologischen Zyklen

dieser Pathogene, obwohl sie ähnlich erschei-

nen, wichtige Unterschiede z.B. in Wirt- und Vek-

torart (Tab. 1), Verbreitung und Prävalenz (erre-

gerinfizierter Anteil einer Population) aufzeigen.

Tabelle 3. Faktoren, welche die epidemiologischen

Dynamiken von zeckenübertragenen Krankheiten be-

einflussen (angelehnt an

R

osa

et al. 2003). Die beiden

Spalten sind unabhängig voneinander.

Zecken (für jedes

Entwicklungsstadium)

Wirt

– Dichte

Dichte geeigneter Wirte

– Totale Zeckendichte Dichte infizierter Wirte

– Reproduktionsrate der

Zecken

Dichte immuner Wirte

– Sterblichkeitsrate

Geburtenrate geeigneter

Wirte

– Wahrscheinlichkeit des

Zusammentreffens mit

geeigneten Wirten

Sterblichkeitsrate geeig-

neter Wirte

– Abfallrate der Zecken

Sterblichkeitsrate infi-

zierter Wirte

– Erfolg der Häutung

Sterblichkeitsrate

immuner Wirte

– Wahrscheinlichkeit einer

Infektion

Rate der Entstehung von

Immunität

– Wahrscheinlichkeit

der Übertragung des

Pathogens von einem

Zeckenstadium zum

nächsten

Wahrscheinlichkeit der

Infektion

– Wahrscheinlichkeit der

Übertragung vom Mut-

tertier auf die Larven

Aggregationsfaktor