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Carolinea 71
(2013)
menhängendenWäldern, Waldrändern, Vorstadt-
gärten und städtischen Grünanlagen vor. In allen
Habitaten fungiert die Zecke potenziell als Über-
träger von humanpathogenen Erregern (
M
aiwald
et al. 1998,
J
unttila
et al. 1999,
M
aetzel
et al.
2005,
P
etney
et al. unveröffentlichte Daten).
Europaweit betrachtet ist das gesamte von
Ixodes ricinus
besiedelte Areal klimatisch nicht
homogen.
E
strada
-P
eña
et al. (2006) klassifizie-
ren für Europa neun klimatisch-ökologisch unter-
schiedliche Habitate, die von
Ixodes ricinus
be-
siedelt werden. Es scheint so, als ob sich diese
Siedlungsgebiete der Zecke auch in Bezug auf
die Dynamik und das Muster der Wirt-Zecken-
Pathogen-Interaktionen voneinander unterschei-
den (
E
strada
-P
eña
et al. 2006). Dies in einer breit
angelegten Studie zu verifizieren, ist eine wich-
tige Aufgabe für die Zukunft.
Klimatische Bedingungen haben einen erheb-
lichen Einfluss auf das Aktivitätsmuster aller Ent-
wicklungsstadien von
Ixodes ricinus
(
P
erret
et
al. 2004). Dennoch konnte eine Ausweitung des
Areals von
Ixodes ricinus
(und damit gleichzeitig
von FSME und Borreliose) in Richtung Norden
sowie ein Vordringen in höhere Lagen festgestellt
werden (
L
indgren
et al. 2000;
D
aniel
et al. 2003).
D
autel
et al. (2008) nehmen außerdem an, dass
der milde Winter von 2006/2007 für die fast
ganzjährige Aktivität von
Ixodes ricinus
in Ber-
lin verantwortlich war. Sollten solch milde Winter
häufiger vorkommen – wie es von Klimamodellen
vorausgesagt wird –, könnte die Periode der Ge-
fährdung der menschlichen Bevölkerung durch
zeckenübertragene Pathogene länger andauern.
Nicht nur das jahreszeitliche Aktivitätsmuster
von
Ixodes ricinus
wird sich zukünftig verändern;
auch die Auwaldzecke
Dermacentor reticulatus
ist zurzeit dabei, ihr Verbreitungsgebiet nach We-
sten hin auszuweiten (
D
autel
et al. 2006,
B
ullova
et al. 2009). Dies geht auch mit einer Erweiterung
der Habitatpräferenz einher: Zusätzlich zu Be-
reichen entlang von Flußläufen in Europa, dem
klassischen Habitat dieser Zecke, werden sogar
trockenere Waldgebiete als Habitat angenom-
men (
D
autel
et al. 2006,
B
ullova
et al. 2009).
R
andolph
(2001) postuliert, dass die beobach-
tete Zunahme von FSME und von Borreliose in
Mittel- und Nordeuropa sowie deren Rückgang
in Südeuropa innerhalb der letzten zwei Jahr-
zehnte nur teilweise durch Klimaveränderungen
verursacht wurde. Sie ist der Meinung, dass
dieses Problem auch durch anthropogene Land-
schaftsveränderungen (z.B.
Habitatfragmentie-
rung
), die das Wachstum und die Verdichtung
der Wirts- und der
Ixodes-ricinus-
Population för-
derten, verstärkt wird. Das Beispiel zeigt, dass
die bisher noch recht geringe Menge an Daten
vielerlei Spekulationen zulässt.
Lokal betrachtet kann die Ausbreitung von Ze-
cken und der von ihnen übertragenen Patho-
gene von einer Vielzahl von Faktoren beein-
flusst werden. Wie zuvor aufgezeigt wurde, sind
Temperatur und Luftfeuchtigkeit von besonderer
Bedeutung, auch im mikroklimatischen Bereich.
Das Mikroklima ist von verschiedenen biotischen
und abiotischen Faktoren abhängig. Dazu zäh-
len die Höhe der jeweiligen Vegetation (Schat-
ten und vegetationsbedeckte Böden sorgen für
niedrige Temperaturen, aber hohe Luftfeuchtig-
keit) und der Bodentyp (Wasserspeicherfähig-
keit und Bodenlückensystem als
interstitieller
Rückzugsraum für die Zecken) (
M
erler
et al.
1996,
S
chwarz
et al. 2009). Diese Variablen sind
wichtige Charakteristika der von Zecken besie-
delten Habitate. Wirte haben gleichermaßen
spezifische Ansprüche, die in die Habitatanalyse
mit einbezogen werden müssen. Demnach sollte
in Studien, welche die Verbreitung und die Po-
pulationsdynamik von Zecken behandeln, jeder
Kleinlebensraum (Mikrohabitat: definiert durch
Vegetation, Bodenbeschaffenheiten usw.) sepa-
rat betrachtet werden.
In der bisher umfassendsten Studie über
Ixodes
ricinus
verglich
E
strada
-P
eña
(2001) über den
Zeitraum von drei Jahren die Abundanz und die
Verteilung von Zecken in 18 verschiedenen Ha-
bitaten, die sich vorwiegend in Bezug auf den Ve-
getationstyp unterschieden. Dieses Monitoring
fand in Spanien statt. Es zeigte sich, dass
Ixodes
ricinus
nicht in offenen, grasbewachsenen Flä-
chen und nicht in jungen Pinien-Monokulturen zu
finden war, sondern Gebiete mit hohem Anteil an
verbuschten Habitaten bevorzugte. Die stärkste
Präferenz zeigte die Zecke für fragmentierteWäl-
der mit Eichen und vielen Randhabitaten (
Öko-
tonen
). Der Autor konnte zeigen, dass 50 % der
Varianz in der Zeckenabundanz durch Tempera-
tur und Vegetationscharakteristika des Habitats
bedingt waren. Da sich aber sowohl die vorherr-
schenden Temperaturen als auch das Mikroklima
essenziell zwischen Spanien und Deutschland
unterscheiden, können die Befunde dieser weg-
weisenden Studie nicht auf Mitteleuropa übertra-
gen werden.
Die Habitatfragmentation durch Straßen, Park-
plätze und landschaftlich genutzte Wege scheint
ebenfalls für die Verteilung von Zecken von gro
ßer Bedeutung zu sein (
E
strada
-P
eña
2002).