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Carolinea 71
(2013)
groß angelegte Probenahmen durchzuführen
(
P
etney
et al. 1990). Echte Schwankungen in der
Dichte von Zeckenpopulationen zwischen den
Jahren scheinen zum Teil mit klimatischen Fak-
toren wie zu geringer Luftfeuchtigkeit und ungün-
stigen Temperaturen zusammenzuhängen (
K
nap
et al. 2009). Im Weiteren wirken sich auch Fak-
toren wie die zeitlich vorausgegangene Popula-
tionsdichte (die Chance einen Geschlechtspart-
ner zu finden), die Verfügbarkeit geeigneter Wirte
und wahrscheinlich auch die Durchseuchung der
jeweiligen Zeckenpopulation mit Pathogenen
modifizierend auf die Populationsdynamik aus
(
R
andolph
2004). Zur Pathogenität der Erreger in
den Zecken gibt es allerdings bislang nur wenige
Informationen.
3.3.5 Interspezifische Interaktionen
Antagonistische Interaktionen zwischen ver-
schiedenen Zeckenarten sind bekannt. In Afrika
wird die einheimische Art
Rhipicephalus
(
Boo-
philus
)
decoloratus
rapide und komplett durch
die kolonisierende asiatische
Rhipicephalus
(
Boophilus
)
microplus
verdrängt (
T
onnesen
et al.
2004). Nur unter bestimmten klimatischen Bedin-
gungen gelingt es dem invasiven Parasiten nicht,
die einheimische Art mit offenbar gleichen Le-
bensraumansprüchen zu verdrängen (
S
utherst
2001). Sonst ist die einheimische Spezies nicht
konkurrenzfähig. Der Erfolg des überlegenen
Konkurrenten basiert auf seiner höheren Re-
produktionsrate, die wiederum die Folge eines
größeren Blutsaugevermögens ist (
E
strada
-P
eña
2002). Beide Arten paaren sich miteinander, wo-
raus sterile Hybridnachkommen hervorgehen.
Davon profitiert dann
Rhipicephalus
(
Boophilus
)
microplus
, die Spezies mit der höheren Repro-
duktionskapazität (
T
araschewski
2006). Ange-
sichts dieses Befundes stellt sich für Mitteleuropa
die Frage, ob und, falls ja, wie
Ixodes ricinus
mit
Dermacentor reticulatus
interagieren wird, wenn
der derzeitige Ausbreitungstrend von
Dermacen-
tor reticulatus
in Deutschland anhält.
Obwohl man von vielen Arthropoden (Glieder-
füßern) weiß, dass sie Zecken jagen, gibt es
bisher keine Beweise dafür, dass Prädation,
also die Räuber-Beute-Beziehung, jemals eine
bedeutende Rolle bei der Populationsdynamik
einer Zeckenart gespielt hat (
S
amish
&
R
ehacek
1999). Auch Prädation durch Wirbeltiere scheint
eine untergeordnete Rolle zu spielen (
K
ok
&
P
et
-
ney
1993,
P
etney
&
K
ok
1993,
S
amish
&
R
ehacek
1999). Der einzige bekannte auf die Erbeutung
von Zecken spezialisierte Räuber ist der Maden-
hacker in Afrika (
K
ok
&
P
etney
1993).
Eine Vielzahl von Zecken-Pathogenen ist be-
kannt. Diese umfassen Bakterien, Pilze, Wür-
mer und parasitoide Insekten (
S
amish
&
R
ehacek
1999). Jedoch spielen all diese Erreger, soweit
uns bekannt ist, normalerweise nur eine unter-
geordnete Rolle in der Langzeitkontrolle wilder
Zeckenpopulationen.
3.3.6 Modelle zur Zeckenverteilung in der
Landschaft
Zur Beschreibung und Prognose der Auswirkung
von Wetterbedingungen und Wirtsdichte auf die
Abundanz der verschiedenen Entwicklungs-
stadien von Zecken wurden unterschiedliche
mathematische Modelle erarbeitet. Ein im Jahr
2000 entworfenes Modell, basierend auf franzö-
sischen Daten, legt den Schluss nahe, dass die
jährlichen Abundanzschwankungen der Nym-
phen mit der monatlichen Durchschnittstempe-
ratur und der Wahrscheinlichkeit, ob die Larven
einen Wirt finden, korreliert sind (
V
assallo
et al.
2000). Leider werden aber keine Daten angebo-
ten, um die Wirtsfindung der Larven quantitativ
abschätzen zu können.
Modelle, die auf Vegetations- und Klimafaktoren
zugeschnitten sind, die die großskalierte Verbrei-
tung von
Ixodes ricinus
beeinflussen, sind z.T.
ausgesprochen brauchbar. Ein solches geosta-
tistisches Modell wurde von
E
strada
-P
eña
(1999)
erstellt. Es basiert auf verschiedenen Vegeta-
tions- und Temperaturvariablen und ermöglicht
damit eine Prognose zur Eignung eines Habitats
für Zecken mit einer Sensibilität von 0,98 und ei-
ner Spezifität von 0,92. Ergebnisse, die mit die-
sem Modell erzielt wurden, stimmten jeweils mit
den tatsächlichen Nachweisen der Zecken mit
nur 4 % falsch positiven und 3 % falsch negativen
Befunden fast deckungsgleich überein.
Das von
R
andolph
(2004; Abb. 6) vorgestellte Po-
pulationsdynamikmodell zeigt die Parameter, von
denen sich die Anzahl der Zecken, die die näch-
ste Generation erreichen, herleitet. Das Modell
definiert die Wahrscheinlichkeit, dass eine indivi-
duelle Zecke das nächste Entwicklungsstadium
erreicht oder ein Weibchen Eier ablegt. Viele der
im Schema genannten Parameter sind aus me-
teorologischen Aufzeichnungen verfügbar, z.B.
die jeweilige Temperatur und die Tageslänge.
Gleiches gilt für die Überlebensrate der Zecken
unter verschiedenen Temperaturen und Luft-
feuchtigkeiten (siehe
R
andolph
2004). Allerdings