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Carolinea 71
(2013)
Apodemus sylvaticus
, den Winter zu überleben,
mit dem Samenwurf von Buchen und/oder Eichen
korreliert ist, während
S
elas
et al. (2002) beobach-
teten, dass das Populationswachstum bei
Myodes
glareolus
und
Apodemus sylvaticus
mit einem ho-
hen Ertrag an Früchten von Blaubeere (
Vaccinium
myrtillus
), Traubeneiche (
Quercus petraea
) und
Fichte (
Picea abies
) zusammenhing. Viele dieser
Nagerarten sind in die Zyklen zeckenübertragener
Pathogene wie
Borrelia
spp. und FSME involviert
(
U
lrich
et al. 2009).
Es gibt auch Faktoren, die die Populationsdichte
von großen Wirtstieren beeinflussen. Man nimmt
an, dass Endoparasiten, Parasiten die im Inne-
ren ihres Wirtes leben, zu erhöhter Mortalität bei
Wildschweinen führen (
M
eynhardt
1978). Ähnlich
wie bei Nagern kann auch das Nahrungsangebot
die Populationsdichte von großen Wirtstieren be-
einflussen: Eicheln und Bucheckern gehören zur
von Wildschweinen bevorzugten Nahrung (
N
iet
-
hammer
&
K
rapp
1986). Interessanterweise ziehen
Bachen in normalen Jahren durchschnittlich 4,5-
5,5 Junge groß, in Mastjahren dagegen 5,5-6,5
(
B
riederman
1971). Die Populationsdichten von
Wildschwein, Reh oder Rotwild sind aber auch in
hohem Maße von menschlichen Einflüssen wie
Jagd oder Winterfütterung abhängig (
N
iethammer
&
K
rapp
1986).
Die Dichte von Nagerpopulationen, wie bereits
am Beispiel von
Ixodes scapularis
im Nordosten
der USA erklärt, steht in direkter Beziehung zu
der Überlebensrate der Zecken und der Trans-
missionsrate der Pathogene. Solche Daten sind
für europäische zeckenübertragene Krankheiten
nicht vorhanden. Jedoch ist bekannt, dass Mast-
jahre zu Dichten von Nagerpopulationen führen,
die wiederum in Zusammenhang mit einer hohen
Durchseuchung von Hanta-Viren stehen (
S
in
et al. 2007,
C
lement
et al. 2009,
T
ersago
et al.
2009). Aus diesem Grund glauben wir, dass auch
die Häufigkeit zeckenübertragener Krankheiten
in Deutschland von Mastjahren abhängt.
Eines der Hauptprobleme bei der Untersuchung
der sylvatischen Epidemiologie von zeckenüber-
tragenen Krankheiten in Europa ist die extrem
geringe Wirtsspezifität von
Ixodes ricinus
und
die moderat geringe Wirtsspezifität der beiden
Dermacentor
-Spezies. Dadurch werden viele
Effekte der beschriebenen Faktoren so gegen-
einander abgepuffert, dass die Erforschung der
zeckenübertragenen Krankheiten einer Multivari-
anzanalyse gleicht, speziell dann, wenn die Erre-
ger ebenfalls wenig wirtsspezifisch sind, wie die
Borrelia
-Erreger (
R
osa
et al. 2003).
3.6 Pathogen-Zecken-Wirt-Interaktionen
Wirt-Pathogen-Beziehungen sind oft epidemiolo-
gisch komplex und für viele Erreger noch nicht
ausreichend untersucht. Die Dynamik eines Er-
regers, der Nager als Wirt nutzt, aber nicht von
Zecken übertragen wird, ist allerdings weitge-
hend aufgeklärt und soll hier als Beispiel dienen.
Ein Ausbruch des Hanta-Virus im Südwesten
der USA führte zu einer hohen Sterblichkeitsra-
te bei den akut infizierten Menschen (zunächst
70 %, später 40 %). Damit gingen hohe Popula-
tionsdichten von Nagetieren einher (darunter die
Hirschmaus
Peromyscus maniculatus
, der wich-
tigste Wirt im Zusammenhang mit der Epidemi-
ologie von zeckenübertragenen
Borrelia
-Arten
in Nordamerika) (
Y
ates
2002). Diese um 3-30 %
höheren Populationsdichten als im vorherge-
henden Jahr hingen mit einem starken Pflan-
zenwachstum (gemessen als
NDVI,
Normalized
Difference Vegetation Index; normalisierter dif-
ferenzierter Vegetationsindex) und somit einer
hohen Samenproduktion zusammen, was wie-
derum als Folge der starken Regenfälle während
des
El Niño
1992 angesehen wurde (
Y
ates
et al.
2002). Nachdem sich die Regenfälle normalisiert
hatten, sanken sowohl die Dichte der Nagetier-
populationen als auch die Anzahl menschlicher
Infektionen.Während der
La Niña
-Phase setzten
die übermäßigen Regenfälle aus, die Nagetier-
populationen wurden fast vollständig dezimiert,
und die Infektionsraten bei Menschen gingen
dementsprechend zurück. Dieses scheinbar vor-
hersehbare Muster wurde einige Jahre später
unterbrochen, als die Populationsdichten von
Nagetieren relativ gering waren, die Infektionen
bei Menschen aber dennoch beträchtlich anstie-
gen. In diesem Fall konnte der Anstieg von Infek-
tionen bei Menschen mit dem sehr hohen Anteil
infizierter Nager in Verbindung gebracht werden.
Die starke Ausdünnung der Population hatte zum
Tod der nicht empfänglichen Nager mit Antikör-
pern gegen den Virus geführt, während die jetzt
vorherrschenden Jungtiere empfänglich für neue
Infektionen waren (
Y
ates
et al. 2002).
Dieses Beispiel zeigt Zusammenhänge auf, die
entscheidend sind, um die Dynamik von zecken-
übertragenen Krankheiten besser zu verstehen:
Eine Übertragung ist abhängig von der Größe
der Wirtspopulationen und dem darin enthal-
tenen Prozentsatz an infizierten Tieren.
Eine
Meta-Analyse
zusammen mit Freilandver-
suchen von
P
erkins
et al. (2006) ergab, dass ein
Populationsrückgang beim Wild die Anzahl der