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Carolinea 71
(2013)
bekannten Verbreitungsgebieten ca. jede 20. bis
50. Zecke ein potenzieller FSME-Überträger ist
(
M
aier
et al. 2003). In den im Großraum Freiburg
gelegenen Tälern der Elz, der Kinzig und im Si-
monswälder Tal wurden Werte von 1,4 – 2,2 %
(n = 2.590), im Bereich nördlich des Bodensees
Werte von 1,2 – 2,3 % (n = 2.057) registriert.
Im Großraum Stuttgart und in Pforzheim lagen
die Werte bei 0,3 – 0,8 % (n = 3.488) bzw. bei
0 – 0,5 % (n = 1.054) (
O
ehme
et al. 2002). Die
höchsten Werte wurden im Gesamtschwarzwald
mit 3,4 % (Nymphen) und 4,8 % (Adulte) ermit-
telt (
M
aier
et al. 2003). Als einer der Gründe für
diese Anstiege der Erkrankungszahlen wird u.a.
ein intensiverer Viruszyklus mit höheren Träger-
raten der Zecken als Folge milderer Winter dis-
kutiert (
D
obler
1998,
A
lpers
et al. 2004).
Weitere, weniger bekannte
zeckenübertragene Erkrankungen
Es gibt eine Reihe an vektorübertragenen Erre-
gern, die zwar zum Teil seit Längerem bekannt
sind, aber bisher nicht im Interesse der Öffent-
lichkeit standen (
B
lanco
&
O
teo
2002,
A
lpers
et
al. 2004,
H
aas
et al. 2004,
B
ogdan
2009). Bei die-
sen „(Re)-Emerging infectious diseases“ gibt es
noch erheblichen Forschungsbedarf hinsichtlich
ihrer Verbreitung und Bedeutung (
S
reter
et al.
2004,
D
obler
&
W
ölfel
2009). Neu auftretende,
zuvor unbekannte Erreger erwiesen sich in den
letzten beiden Jahrzehnten immer wieder als
Ursache von Erkrankungen (
H
ildebrandt
et al.
2007). Der Anstieg der Fallzahlen könnte zum
Teil am erhöhten Bewusstsein für diese Krank-
heiten sowie an der Weiterentwicklung diagnos-
tischer Möglichkeiten liegen (
A
lpers
et al. 2004).
Anaplasmose
Das Bakterium
Anaplasma phagocytophilum
verursacht eine akute fieberhafte Erkrankung
des Menschen mit vielfältigen, unspezifischen
Symptomen wie Kopf- und Gliederschmerzen,
Husten und Übelkeit (
A
lpers
et al. 2004,
S
ta
-
nek
2005,
S
ilaghi
et al. 2008).
Anaplasma pha-
gocytophilum
umfasst die ursprünglichen Arten
Ehrlichia phagocytophila
,
Ehrlichia equi
und
den Erreger der humanen granulozytären Ana-
plasmose (HGA) (
D
umler
et al. 1995).
Anaplas-
ma phagocytophilum
kommt in vielen Tierarten
vor; die Hauptreservoirwirte humanpathogener
Stämme sind derzeit allerdings noch unbekannt
(
von
L
oewenich
et al. 2003,
S
reter
et al. 2004).
Obwohl die veterinärmedizinische Bedeutung
schon 1910 von
T
heiler
(T
heiler
1910) erkannt
wurde und im Laufe der Zeit verschiedene Arten
identifiziert wurden, konnten die Erreger erstma-
lig 1990 mit einer Erkrankung beim Menschen
in Verbindung gebracht werden (
D
umler
et al.
2005). Seit 1990 haben in den USA die Fälle
deutlich zugenommen, und den Infektionen wird
jetzt auch vermehrt in Europa Beachtung ge-
schenkt. Serologische Untersuchungen weisen
darauf hin, dass der Erreger weit verbreitet ist
(
D
umler
et al. 2005).
In Baden-Württemberg konnten
O
ehme
et al.
(2002) je nach Region bei 5-16 % der Wald-
arbeiter Antikörper gegen
Anaplasma phago-
cytophilum
nachweisen. Die Bewertung der
serologischen Befunde ist jedoch schwierig, ins-
besondere angesichts des Mangels an klinisch
nachweisbaren Erkrankungen in Deutschland
(
A
lpers
2004). Insgesamt ist die Datenlage für
die HGA in Deutschland noch unzureichend.
Von verschiedenen Untersuchungsgebieten
in Deutschland wurden bisher ähnliche Prä-
valenzen (Durchseuchungen) für
Anaplasma
phagocytophilum
in
Ixodes-ricinus-
Zecken er-
mittelt: 2,3 % in Thüringen (
H
ildebrandt
et al.
2003), 2,9 % in Bayern (
S
ilaghi
et al. 2008) und
durchschnittlich 1,0 % in Baden-Württemberg
(
H
artelt
et al. 2004, 2008a). In Bayern und Ba-
den-Württemberg von Hunden abgesammelte
Zecken zeigten eine Durchseuchungsrate von
durchschnittlich 4,7 % (2,6 – 7,3 %) (
L
eonhard
2005).
H
artelt
et al. (2008a) konnten in Nagern
in Baden-Württemberg eine durchschnittliche
Prävalenz von 5,3 % feststellen. Dabei fiel eine
deutlich höhere Durchseuchung bei der Familie
der Wühlmäuse (10,3 %) im Vergleich zu den
untersuchten Langschwanzmäusen (0,4 %) auf.
S
kuballa
et al. (2010) fanden in Igeln und deren
Zecken
Anaplasma phagocytophilum
, was diese
synanthrope (an den menschlichen Siedlungs-
bereich angepasste) Spezies als möglichen Re-
servoirwirt erscheinen lässt. Noch besteht erheb-
licher Forschungsbedarf, um die Epidemiologie
dieser Erkrankung vollständig zu verstehen.
Rickettsiosen
Rickettsien sind als intrazellulär lebende Bakte-
rien mit Arthropoden (Gliederfüßern) assoziiert
und können auf Wirbeltiere über Speichel oder
Kot sowie über Blut oder als Aerosol übertra-
gen werden. Neben Zecken als Überträger wer-
den auch Läuse, Flöhe und Milben in Betracht
gezogen (
D
obler
&
W
ölfel
2009). In Deutsch-
land kommen mindestens sieben verschiedene
Rickettsia
-Arten vor (
D
obler
&
W
ölfel
2009). In