
P
etney
at al.: Zecken und zeckenübertragene Krankheiten in Baden-Württemberg
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mit FSME infizierten Zecken erhöhte. Dies lässt
sich darauf zurückführen, dass Nymphen dann
eher auf anderen empfänglichen und dement-
sprechend potenziell infektiösen Wirten wie Na-
gern saugen.
Wie bereits erwähnt, ist auch in Europa dieWahr-
scheinlichkeit, am Hanta-Virus zu erkranken, mit
Mastjahren und dem danach erfolgenden Anstieg
der Anzahl von Wirtstieren verbunden. Die Dich-
te der Populationen geeigneter Wirte und deren
Anteil an empfänglichen Individuen (Jungtieren)
reguliert sich also durch eine kausale Abfolge
von Faktoren: Klima
Samen/Saatproduktion
Fortpflanzungserfolg. Die Populationsdichte
der Wirte, die einen Verdünnungseffekt auf die
Abundanz der Erreger ausüben, muss dagegen
nicht diesem Schema folgen, sondern kann ver-
schiedene andere Ursachen haben.
Von hoher Bedeutung ist auch, dass geeignete
Wirte in ihren Populationen substanzielle Un-
terschiede sowohl in der Prävalenz als auch in
der Intensität der Infektion mit Zecken aufwei-
sen. Dies ist teilweise vom bewohnten Habitat,
von der Populationsstruktur und vom Geschlecht
des Wirtes abhängig (
S
inski
et al. 2006). So sind
männliche
Apodemus flavicollis
und
Microtus ar-
valis
stärker mit Zecken infiziert als weibliche, was
bei
Myodes glareolus
nicht der Fall ist. Bei
Apo-
demus flavicollis
sind ältere Tiere am stärksten
infiziert. Obwohl
Ixodes ricinus
der Hauptvektor
für eine Vielzahl von Pathogenen ist, weicht die
Reservoir-Kompetenz bei den unterschiedlichen
Wirten voneinander ab (Tab. 1,
K
urtenbach
et al.
1998a, b). Dies kann zu lokalen Unterschieden in
der
Pathogenprävalenz
führen (
E
tti
et al. 2003,
P
aulauskas
et al. 2008).
S
chmidt
&
O
stfeld
(2001) haben beispielsweise
gezeigt, dass unempfängliche Wirte, z.B. Wirte,
die nicht oder nur begrenzt für die Infektion und
die Übertragung eines Pathogens auf eine un-
infizierte Zecke geeignet sind, das Vorkommen
eines Pathogens innerhalb einer Zeckenpopu-
lation und somit das Risiko der Krankheitsüber-
tragung durch eine einzelne Zecke verringern. In
dieser Studie wurde ein empirisches Modell ver-
wendet, das zeigte, dass 61 % der Larven und
72 % der Nymphen von
Ixodes scapularis
inner-
halb des Untersuchungsgebiets in New York an
unempfänglichen Wirten saugen. Natürlich sind
solche Untersuchungen orts- und zeitabhängig;
jedoch zeigt das Modell, dass eine hohe Diver-
sität an potenziellen Wirten zu einem geringeren
Infektionsrisiko der Wirte führt. Bezieht man
dies auf das Erkrankungsrisiko bei Menschen,
so bedeutet das, dass Gebiete mit einer hohen
Wirtsdiversität geringere Pathogenprävalenzen
aufzeigen, da mehr Zecken an Wirten saugen,
die unempfänglich für Infektionen sind (
L
o
G
iudi
-
ce
et al. 2003). So ist die Pathogenprävalenz in
Ixodes scapularis
und bei Menschen in Gebie-
ten, in denen (unempfängliche) Eichhörnchen
vorkommen, niedriger als in solchen, in denen
keine Eichhörnchen vorhanden sind (
D
obson
et
al. 2006). Dies wird als Verdünnungseffekt be-
zeichnet.
Der Verdünnungseffekt ist eng mit der jeweiligen
Habitatstruktur verknüpft. Dies ist vor allem in länd-
lichen Gebieten mit hohen Bevölkerungsdichten
wichtig. Hier entstehen durch die starke Habitat-
fragmentierung aufgrund der hohen Straßen- und
Siedlungsdichte keine großen, zusammenhän-
genden Flächen mit natürlicher Vegetation.
Die Landnutzung und deren Änderung haben
also offensichtlich Einfluss auf die Epidemiologie.
Beispielhaft wird dies aufgezeigt anhand von drei
Hypothesen, die den Einfluss von Landnutzung
und deren Änderung auf die Epidemiologie der
Borreliose in den USA behandeln:
Randhabitate (
Ökotone
) bewirken in fragmen-
tierten Lebensräumen eine erhöhte Populati-
onsdichte der Großwirte. Strauchvegetation und
Gras z.B. dienen als Unterschlupf und Nahrung
für Wildtiere, die als Wirte fungieren. Reduzierte
Jagd durch die Nähe menschlicher Siedlungen
und das Fehlen von Räubern charakterisieren
diesen Lebensraum. Man nimmt an, dass sol-
che Umstände zu einer Erhöhung der Zecken-
abundanz führen. Die Dichte von empfänglichen
(Nagetiere für Borreliose) und unempfänglichen
(Weißwedelhirsch und Eichhörnchen für Borreli-
ose) Wirten bestimmt das Infektionsrisiko (
B
ar
-
bour
&
F
ish
1993,
F
rank
et al. 1998,
B
rownstein
et al. 2005,
D
obson
et al. 2006).
Diese Argumentation kann auch auf die Po-
pulationsdichte kleinerer Säugetierarten – wie
die Weißfußmaus (
Peromyscus leucopus
), der
Hauptwirt von Larven und Nymphen von
Ixodes
scapularis
– übertragen werden. Eine Auswei
tung von Randhabitaten würde dementspre-
chend zu höheren Zeckendichten führen (
O
st
-
feld
&
K
eesing
2000,
S
chmidt
&
O
stfeld
2001,
B
rownstein
et al. 2005).
Das Vordringen menschlicher Siedlungen in se-
mi-natürliche und natürliche Landschaften erhöht
das Riskio des Kontakts (Übertragung) zwischen
Vektor und Mensch. In den USA treten die mei-
sten Infektionen in Wohngegenden auf (
F
alco
&
F
ish
1988).