Previous Page  74 / 281 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 74 / 281 Next Page
Page Background

P

etney

at al.: Zecken und zeckenübertragene Krankheiten in Baden-Württemberg

73

len) in Richtung TH2-Zellen verschieben (

S

ingh

&

G

irschick

2003): TH1-Zellen steuern haupt-

sächlich die zelluläre Immunität und so die Elimi-

nierung von mikrobiellen Pathogenen, während

TH2-Zellen für die

humoral

e Abwehr (durch

Substanzen in Blut und Lymphe) zuständig sind,

die beispielsweise bei Wurmbefall von Bedeutung

ist.

L

eboulle

et al. (2002) haben ein Protein aus

dem Speichel von

Ixodes ricinus

isoliert, dass

sie Iris (

Ixodes ricinus

immuno-suppression) ge-

nannt haben. Iris hemmt die Entwicklung meh-

rerer Cytokine, die bei Entzündungsreaktionen

involviert sind. Dadurch wird die Sensitivität von

T-Zellen und Makrophagen verringert und somit

die Immunabwehr des Wirtes herabgesetzt.

Das

Komplementsystem

ist einer der wich-

tigsten Bestandteile der humoralen Abwehr und

umfasst inWirbeltieren mehr als 30 verschiedene

Proteine. SGE von

Ixodes ricinus

unterdrückt

auch dieses System. Diesbezügliche Befunde

liegen von Mensch, Rothirsch, Igel und Haustau-

be vor (

L

awrie

et al. 1999,

D

aix

et al. 2007).

3.4.5 Mortalität und Morbidität bei den Wirten

Aufgrund des Blutverlustes, den Zecken bei der

Nahrungsaufnahme verursachen, kann das Sau-

gen bei hohemBefall zu einer Blutarmut (Anämie)

führen. Diese Anämien sind normalerweise hä-

morrhagisch (lösen Blutungen aus) und regene-

rativ (

T

yler

&

C

owell

1996).

P

fäffle

et al. (2009)

konnten dies am Europäischen Igel darstellen,

bei dem es durch Zecken verursachten Blutver-

lust zu einer regenerativen Anämie kommt, die in

Perioden mit Co-Stress (Winterschlaf, Paarungs-

zeit) aufgrund des Energieverlustes eine erhöhte

Morbidität (Kranksheitsanfälligkeit) bis hin zur

Mortalität (Sterblichkeit) verursachen kann. Die

oft als Folge von Infektionen mit zeckenüber-

tragenen Krankheiten auftretende Anämie lässt

sich als Morbiditätsparameter in standardisierter

Weise darstellen.

Die Übertragung von Pathogenen kann durch

verschiedene Komponenten des Zeckenspei-

chels erleichtert bzw. aktiviert werden (

N

uttall

&

L

abuda

2004). Dieses Phänomen bezeichnet man

als Saliva Activated Transmission (SAT; speichel­

aktivierte Übertragung) und wurde für Erreger

wie FSME-Virus,

Borrelia

spp. und

Franciscella

tularensis

(die

Tularämie

, „Hasenpest“, verur-

sacht) und die Zeckenarten

Ixodes ricinus

und

Dermacentor reticulatus

dokumentiert (

L

abuda

et

al. 1993,

P

echova

et al. 2002,

Z

eidner

et al. 2002,

K

rocoka

et al. 2003,

M

achackova

et al. 2006).

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass

Ba-

besia canis

(Erreger der Hunde-Babesiose),

übertragen von

Dermacentor reticulatus

und

Rhipicephalus sanguineus

,

zu Symptomen wie

Anorexie (Appetitlosigkeit), Lethargie, Fieber

und abnormalen hämatologischen Befunden

führt. Unter Umständen resultiert daraus sogar

der Tod der infizierten Hunde (

M

atjila

et al. 2005,

B

ourdoiseau

2006,

P

orchet

et al. 2007). Morbidi-

tät und Mortalität, die durch Zecken verursacht

werden, stehen meist in Zusammenhang mit ze-

ckenübertragenen Krankheiten wie FSME oder

Borreliose (

K

orenberg

&

L

ikhacheva

2006,

S

zell

et al. 2006,

D’A

garo

et al. 2009).

3.5 Ökologie der Wirte

Die Wirtspräferenzen der Pathogene und das

quantitative Vorhandensein geeigneter Wirte

spielen die Hauptrolle bei der Epidemiologie von

zeckenübertragenen Krankheiten. Aus mensch-

licher Sicht fungieren verschiedene Wirbeltierar-

ten als Reservoir und/oder Multiplikator von an-

thropozoonotischen Pathogenen, also solchen

Erregern, die von Menschen auf Tiere übertra-

gen werden. Demnach ist die Wirtspopulations-

dynamik eine essenzielle Größe zum Verständ-

nis der Epidemiologie von zeckenübertragenen

Pathogenen (

O

stfeld

et al. 1996).

Ixodes ricinus

und beide in Mitteleuropa vorkom-

menden

Dermacentor

-Arten nutzen eine Vielfalt

an Wirtstieren. Normalerweise saugen Larven

und Nymphen an kleineren Wirten wie Nagern,

Igel oder Hasenartigen. Adulte kommen haupt-

sächlich auf größeren Wirten wie Rothirsch, Reh

oder Wildschwein vor (

P

etney

et al. 2012). Die

großen Wirtstiere sind in mehrfacher Hinsicht

wichtig. Sie ermöglichen die Vergrößerung der

Zeckenpopulation, da viele Weibchen auf einem

Tier saugen und somit viele Eier legen können.

Außerdem sorgen sie für den Transport der Ze-

cken über größere Distanzen (

W

ilson

et al. 1985,

2008,

C

hemini

et al. 1997). Sie dienen vielen ze-

ckenübertragenen Krankheiten wie FSME oder

Borreliose jedoch nicht als Reservoirwirte, son-

dern als

Verdünnungswirt

e, die die Übertra-

gung der Erreger unterbrechen (

B

egon

2008).

Allerdings können große Wirtstiere anderen

zeckenübertragenen Pathogenen als Reservoir-

wirte dienen, wie z.B. Rotwild für

Anaplasma

phagocytophilum

(

A

lberdi

et al. 2000).

Die wichtigsten Wirte für zeckenübertragene

Krankheiten in Deutschland sind hauptsächlich

echte Mäuse wie

Apodemus flavicollis

und

Apo-