
P
etney
at al.: Zecken und zeckenübertragene Krankheiten in Baden-Württemberg
79
Akrodermatitis chronica atrophicans
oder eine
Herzbeteiligung, sind eher selten (< 5 %)(
K
rause
&
F
ingerle
2009).
Borreliose kann, wie bereits erwähnt, von meh-
reren
Borrelia
-Arten ausgelöst werden. Minde-
stens 18 verschiedene Genospezies werden
nach derzeitigem Kenntnisstand weltweit unter
dem
Borrelia-burgdorferi
-s.l.-Komplex zusam-
mengefasst, die als pathogen für Mensch und
Tier gelten (
S
tanek
&
R
eiter
2011)
.
Während
im US-amerikanischen Raum hauptsächlich
Borrelia burgdorferi
s.s. als Auslöser der In-
fektion angesehen wird, steht in Europa eine
größere Speziesdiversität mit der Erkrankung
im Zusammenhang (
B
aranton
et al. 1992,
C
ol
-
lares
-P
eireira
et al. 2004,
D
iza
et al. 2004).
Für
Borrelia burgdorferi
s.s.,
Borrelia afzelii, Borre-
lia bisettii, Borrelia garinii,
Borrelia lusitaniae,
Borrelia spielmanii
und
Borrelia valaisiana
ist
die Humanpathogenität eindeutig geklärt (
R
ich
-
ter
et al. 2006,
F
ingerle
et al. 2008,
S
tanek
&
R
eiter
2011).
Viele Untersuchungen bestätigen die Verbindung
verschiedener Genospezies mit einem bevor-
zugten Reservoirwirt. So konnten aus kleinen
Säugetieren wie
Apodemus sylvaticus
und
Eri-
naceus europaeus
hauptsächlich
Borrelia afze-
lii, Borrelia garinii
und
Borrelia spielmanii
isoliert
werden (
H
umair
et al. 1995, 1999,
K
urtenbach
et
al. 1998a, b,
H
u
et al. 2001,
H
uegli
et al. 2002,
S
kuballa
et al. 2007, 2012).
Borrelia garinii
und
Borrelia valaisiana
sind
hauptsächlich mit verschiedenen Vogelspezies
vergesellschaftet (
H
umair
et al. 1998,
R
ichter
et
al. 2000,
H
umair
2002;
K
urtenbach
et al. 2002).
Man kann davon ausgehen, dass zwei haupt-
sächliche Transmissionszyklen bei der Ver-
breitung von
Borrelia burgdorferi
s.l. eine Rolle
spielen: der Kleinsäuger-Zecke- und der Vogel-
Zecke-Zyklus (
K
urtenbach
et al. 1998a, b, 2001,
2002).
Borrelia burgdorferi
s.s. nimmt an beiden
Zyklen teil und scheint nicht spezialisiert zu
sein.
O
ehme
et al. (2002) ermittelten für Baden-
Württemberg Infektionsraten für
Borrelia afzelii
von 37 %, gefolgt von
Borrelia garinii
(22 %),
Borrelia valaisiana
(14 %) und
Borrelia burg-
dorferi
s.s.
(10 %) in Zecken von Patienten.
Bor-
relia spielmanii
wurde ebenfalls in Zecken von
Patienten und in Zecken von der Vegetation in
Baden-Württemberg nachgewiesen (
O
ehme
et
al. 2002). Möglicherweise stellt der Igel neben
dem Siebenschläfer ein Haupterregerreservoir
für diese
Borrelia
-Spezies dar (
R
ichter
et al.
2006,
S
kuballa
et al. 2007).
FSME
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
ist die häufigste durch Arthropoden (Gliederfü-
ßer) übertragene Viruskrankheit in Europa. Sie
kann mit einer fieberhaften Erkrankung unter
Beteiligung der Hirnhäute (Hirnhautentzündung,
Meningitis), in schweren Fällen aber auch des
Gehirns und des Rückenmarks einhergehen
(
B
röker
&
G
niel
2003).
Eine Einschätzung des FSME-Erkrankungsri-
sikos wird anhand der kreisbezogenen Anzahl
von Neuinfektionen innerhalb eines bestimmten
Zeitraums der nach Infektionsschutzgesetz
(IfSG) gemeldeten und dem Robert-Koch-Institut
(RKI) übermittelten FSME-Erkrankungen vorge-
nommen (
R
obert
K
och
-I
nstitut
2007). Flächen-
deckende Untersuchungen zum
Nachweis des
FSME-Virus in Zecken und/oder Antikörpern
bei Wildtieren, die als Virusreservoir eine Rolle
spielen, liegen aktuell nur für wenige Gebiete vor
(
R
obert
K
och
-I
nstitut
2009).
Für das Infektionsrisiko ist die Virus-Trägerrate
von
Ixodes-ricinus
-Populationen in den FSME-
Verbreitungsgebieten von entscheidender Be-
deutung. Je höher die Zahl virustragender und
damit potenziell infektiöser Zecken ist, desto
höher ist die Wahrscheinlichkeit von Infektionen
beim Menschen und von möglichen mensch-
lichen Erkrankungen (
D
obler
1998). Ein Kreis
wird als Risikogebiet definiert, wenn die An-
zahl der Neuerkrankungen im Kreis selbst oder
in der Kreisumgebung signifikant den festge-
legten Grenzwert von 1 FSME Erkrankung pro
100.000 Einwohner in 5 Jahren übersteigt (
R
o
-
bert
K
och
-I
nstitut
2009). Die Zahl der gemel-
deten menschlichen Erkrankungsfälle zeigte
in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg
mit durchschnittlich 140 Fällen in Baden-Württ-
emberg, wobei das Jahr 2012 mit nur 72 Fäl-
len eine Ausnahme bildet. In einigen Landkrei-
sen (Landkreise Alzey-Worms, Germersheim
und Rhein-Pfalz-Kreis, Stadtkreise Speyer und
Worms), die formal an Risikogebiete in Baden-
Württemberg grenzen, traten aber niemals FS-
ME-Erkrankungen auf. Weil der Rhein in dieser
Region eine plausible natürliche Grenze für Na-
turherde darstellt, wurden diese fünf Kreise nicht
zu Risikogebieten erklärt (
R
obert
K
och
-I
nstitut
2009). Aufgrund früherer – allerdings nur spora-
discher – Untersuchungen ging man davon aus,
dass in Endemiegebieten ca. jede 1000. Zecke
Träger von FSME-Viren sei (
M
aier
et al. 2003).
Untersuchungen des Landesgesundheitsamtes
Baden-Württemberg zeigen aber, dass in den