Previous Page  82 / 281 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 82 / 281 Next Page
Page Background

P

etney

at al.: Zecken und zeckenübertragene Krankheiten in Baden-Württemberg

81

einer Studie in Baden-Württemberg (

H

artelt

et

al. 2004) lag die Prävalenz von

Rickettsia helve-

tica

in

Ixodes ricinus

bei 8,9 %. Viele Rickettsien

sind offenber humanpathogen (

D

obler

&

W

ölfel

2009).

Zu der Gruppe der Rickettsiosen gehört eine

Reihe von fiebrigen Erkrankungen, die weltweit

vorkommen und verschiedenartige Krankheits-

bilder verursachen (

A

ngelakis

& R

aoult

2011

).

Arten der Gattung

Rickettsia

werden daher in

verschiedene Gruppen unterteilt: die durch Ze-

cken übertragene Fleckfieber-Gruppe (Spotted

Fever Group, SFG), die Epidemische-Fleckfieber-

Gruppe und die Gruppe der Ahnen-Rickettsien

(

D

obler

&

W

ölfel

2009). In den letzten Jahren

konnten eine Reihe von bisher unbekannten

Ri-

ckettsia

-Arten mit neuen Krankheitsbildern asso-

ziiert werden. Rickettsien gehören damit zu den

„emerging deseases“, also den neu auftretenden

Krankheiten (

D

obler

&

W

ölfel

2009).

Coxiella burnetii

Das Bakterium

Coxiella burnetii

ist Verursacher

des Q-Fiebers, einer fast weltweit verbreitete Zo-

onose (

A

lpers

et al. 2004).Wiederkäuer und viele

andere Säuger und Vögel bilden das Reservoir

für diesen Erreger, wobei Zecken als Vektoren

für die Übertragung zwischen den Tieren dienen

können (

M

aurin

&

R

aoult

1999). Die Übertragung

des hoch infektiösen Bakteriums auf den Men-

schen erfolgt auf aerogenemWeg durch Aeroso-

le, die beim Lammen entstehen, durch Zecken-

kot in Schafvlies oder durch Coxiellen im Staub,

z.B. auf Wanderwegen, die von Schafen genutzt

werden. Beim Menschen nimmt die Infektion in

ca. der Hälfte der Fälle einen schweren, grippe-

ähnlichen Verlauf, der häufig durch Leber- (He-

patitis) und Lungenentzündungen (Pneumonien)

verkompliziert wird (

M

aurin

&

R

aoult

1999). In

Tieren verläuft die Krankheit meist asymptoma-

tisch, es wird jedoch eine Assoziation mit Fertili-

tätsstörungen und Aborten beobachtet (

M

aurin

&

R

aoult

1999,

A

lpers

et al. 2004).

In einer Studie von

S

ting

et al. (2004) wurden

Schafe und deren Zecken (

Dermacentor

sp.)

auf das Vorhandensein von

Coxiella burnetii

untersucht. Der Erreger wurde in einer nüch-

ternen (ungesogenen) Zecke und im Zeckenkot

auf Schafen bei Lörrach gefunden. Serologische

Untersuchungen bestätigten das Auftreten von

Coxiella burnetii

in vier Landkreisen in Baden-

Württemberg.

Die Übertragung durch Aerosole scheint am be-

deutendsten zu sein. Ob Zecken ebenfalls eine

wichtige Rolle als Vektoren von

Coxiella burne-

tii

in der Epidemiologie des Q-Fiebers spielen,

bleibt zu untersuchen.

Babesiose

Neben Bakterien und Viren können auch Pro-

tozoen von Zecken übertragen werden. In der

Veterinärmedizin wird

Babesia

-Arten schon seit

Ende des 19. Jahrhunderts große Aufmerksam-

keit geschenkt. 1888 beschrieb

B

abes

erstmalig

diese Erkrankung bei Rindern, die sich als ver-

heerende Viehseuche, verursacht durch

Babesia

bigemina

, manifestiert (

K

rause

2002).

Der erste Fall einer europäischen Babesiose

beim Menschen wurde 1956 in Jugoslawien be-

obachtet. Dies war ein Patient, dessen Milz ope-

rativ entfernt wurde und der an der rasant verlau-

fenden Infektion starb (siehe

H

ildebrandt

2007).

Berichte über klinisch manifestierte Babesien-

Erkrankungen beim Menschen beziehen sich

in der Regel in Europa auf

Babesia divergens

,

in Amerika auf

Babesia microti

(

H

erwaldt

et al.

2003).

H

ildebrandt

et al. konnten erstmalig 2007

eine autochthone, also einheimische Infektion

von

Babesia microti

bei einer Frau aus Deutsch-

land nachweisen. Vereinzelt wurden aber auch

andere Arten (z.B.

Babesia bovis

,

Babesia canis

,

Babesia

sp.) beim Menschen gefunden (

K

jem

-

trup

&

C

onrad

2000), sodass zu erwarten ist,

dass bei genaueren Untersuchungen weitere Ar-

ten im Menschen nachgewiesen werden.

Die canine Babesiose, eine weitverbreitete Er-

krankung der Hunde, die von

Babesia canis

verursacht wird, ist eine hochfieberhafte Erkran-

kung mit Anämie (Blutarmut) und Gelbsucht, die

in vielen Fällen innerhalb weniger Tage zum Tod

führt (

B

arutzki

et al. 2007). In Deutschland ist die

canine Babesiose eine autochthone (heimische)

Erkrankung (

B

arutzki

et al. 2007).

In Baden-Württemberg wurde in Nagern eine

Prävalenz von 0,8 % für

Babesia microti

nach-

gewiesen (

H

artelt

et al. 2008a). In positiv getes­

teten

Ixodes-ricinus

-Zecken aus Baden-Würt­

temberg (Infektionsrate 1,0 %) hingegen war

vorrangig

Babesia divergens

(90,0 %) zu finden.

Babesia microti

konnte nur in drei Zecken nach-

gewiesen werden (

H

artelt

et al. 2004).

Es gibt noch eine Reihe weiterer zeckenüber-

tragener Erkrankungen in Baden-Württemberg,

die in Tabelle 1 aufgelistet sind. Da die Daten zur

Durchseuchung von Zecken mit verschiedenen

Pathogenen in Baden-Württemberg fast aus-

schließlich durch die Mitarbeiter des Landesge-

sundheitsamtes Stuttgarts erhoben wurden, lie-