
P
etney
at al.: Zecken und zeckenübertragene Krankheiten in Baden-Württemberg
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Erreger nur sehr selten direkt auf den Menschen
überträgt, sondern im Reservoirwirt Igel für eine
hohe Durchseuchung sorgt (
S
kuballa
et al. 2007,
2010, 2012,
S
ilaghi
et al. 2012). Auch
Derma-
centor-
Arten scheinen an der Übertragung von
FSME,
Rickettsia
spp. und
Coxiella burnetti
(im
natürlichen Zyklus) als Vektoren von Bedeutung
zu sein. Gleiches gilt für
Ixodes canisuga
(
Bor-
relia
spp.)
,
die überwiegend Füchse befällt, aber
ebenfalls auf Hunden gefunden werden kann,
sowie
Ixodes trianguliceps
(
Borrelia
spp.,
Ana-
plasma phagocytophilum
)
,
die ein spezialisierter
Nager-Parasit ist (
G
ern
&
H
umair
2002,
B
own
et
al. 2003, 2006,
S
üss
et al. 2004). Diese Zyklen
wurden kaum untersucht, eine Abschätzung ihrer
epidemiologischen Signifikanz ist deshalb nicht
möglich.
Wahrscheinlich tragen die in diesem
Abschnitt genannten Zeckenarten zu einer ho-
hen Abundanz (Häufigkeit) der mit ihnen assozi-
ierten Pathogene bei, während die Übertragung
auf den Menschen dann durch Generalisten wie
Ixodes ricinus
erfolgt, ähnlich wie wir es für Igel
und
Ixodes hexagonus
annehmen (
P
fäffle
et al.
2011).
3.3 Ökologie der medizinisch wichtigen
Zecken in Deutschland
3.3.1 Überleben und Entwicklung abseits
des Wirtes
Die medizinisch wichtigste Zeckenart in Deutsch-
land (einschließlich Baden-Württemberg) ist
Ixodes ricinus,
gefolgt von den beiden
Derma-
centor
-Arten (Tab. 1). Die vielen Publikationen,
die Aspekte der Ökologie von
Ixodes ricinus
und
den beiden
Dermacentor
-Arten behandeln, sind
inhaltlich heterogen und in ihrer Qualität sehr un-
terschiedlich. Die meisten Daten stammen aus
Freilanduntersuchungen, die selten länger als
ein Jahr andauerten. Dabei behandeln die mei-
sten Artikel
Ixodes ricinus
nur als einen Teil der
Parasitenfauna des jeweiligen Wirts.
Die hervorgehobene Bedeutung von
Ixodes rici-
nus
beruht auf einer Vielzahl von Gründen. Die
Art ist europaweit verbreitet und hat normalerwei-
se eine höhere Populationsdichte als die anderen
Zeckenarten. Sie ist weitestgehend wirtsunspezi-
fisch und kann deshalb die meisten Vögel, Säu-
ger und Reptilien einer Region als Wirt nutzen
(
P
etney
et al. 2012). Menschen werden oft be-
fallen. Ein erfolgreiches Blutsaugen ist auch hier
möglich, obwohl die Zecke von diesem Wirt in
der Regel während der Blutmahlzeit getötet wird
und somit nicht zur Eiablage kommt. Der Mensch
stellt für die Zecke also eine ökologische Falle dar
(
E
strada
-P
eña
&
J
ongejan
1999). Am wichtigsten
jedoch ist, dass
Ixodes ricinus
als Hauptvektor ei-
ner Vielzahl von Pathogenen dient (Tab. 1) (
S
üss
&
S
chrader
2004,
S
üss
et al. 2004).
Bei der südafrikanischen Zecke
Amblyomma
hebraeum
konnte festgestellt werden, dass die
Prozentzahl an Eiern, die schlüpfen, stark von
Luftfeuchtigkeit (
Sättigungsdefizit
) und Tempe-
ratur abhängen (
N
orval
1977). Die Eier entwi-
ckeln sich am besten in einem bestimmen Tem-
peratur- und Luftfeuchtigkeitsbereich. Zu niedrige
Temperaturen sowie zu hohe Sättigungsdefizite
(und umgekehrt) reduzieren die Wahrscheinlich-
keit eines erfolgreichen Schlüpfens der Eier oder
schließen dies ganz aus (
N
eedham
&
T
eel
1991).
Vieles spricht dafür, dass dies für alle in dieser
Hinsicht untersuchten Zecken ähnlich ist (
N
eed
-
ham
&
T
eel
1991).
Nicht nur das Schlüpfen der Larven wird in ho-
hem Maße durch die Parameter Temperatur und
Luftfeuchtigkeit beeinflusst, sondern auch die Ent-
wicklung der Larven, Nymphen und Adultstadien
(
N
orval
1977,
N
eedham
&
T
eel
1991). Die maxi-
male Überlebensrate z.B. von adulten
Ambylom-
ma hebraeum
wird bei einer Temperatur von 27-
32 °C und einem Sättigungsdefizit von 7-12 mm
Hg erreicht (
N
orval
1977). Die Entwicklungsrate
für
Ixodes ricinus
nimmt mit steigenden Tempera-
turen bis zu einem Schwellenwert von 30
o
C zu,
während die Prä-Ovipositions-Periode (Zeit vor
der Eiablage) und die Zeit, die die Eier bis zur Ent-
wicklung der Larve benötigen, mit der Temperatur
abnehmen (
R
andolph
et al. 2002). Bei Tempera-
turen über 30 °C ist das Überleben der Zecken
reduziert.
R
andolph
et al. (2002) konnten zeigen,
dass die Entwicklungsrate von der Larve zur Nym-
phe während der kalten Winterperiode null ist, mit
steigender Temperatur zu einem Peak in der Mitte
des Sommers ansteigt und mit fallenden Tempe-
raturen im Herbst wieder abnimmt.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie klimatische
und mikroklimatische Faktoren die Entwicklungs-
rate und das Überleben von Zecken unter natür-
lichen Bedingungen beeinflussen. Ein besseres
Verständnis dieser Faktoren innerhalb Baden-
Württembergs ist notwendig, um die Überle-
benswahrscheinlichkeit von Zecken abschätzen
zu können.
3.3.2 Verbreitung
In Baden-Württemberg kommt
Ixodes ricinus
in
sehr unterschiedlichen Habitaten wie zusam-