
P
etney
at al.: Zecken und zeckenübertragene Krankheiten in Baden-Württemberg
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3.1.1 Übertragungsdynamiken
Alle Krankheiten, die hier besprochen werden,
haben einen
indirekten
Wirt-Zecken-Entwick-
lungszyklus, d.h., eine
direkte Übertragung
von
Wirt zu Wirt ist nicht möglich. All diese Krank-
heiten sind außerdem
Zoonosen
. Das bedeutet,
dass sie natürlicherweise in Tierpopulationen
vorkommen und der Mensch nicht ihren Haupt-
wirt darstellt.
Coxiella burnetii
wird vom Menschen gewöhnlich
beim Schlachten oder Scheren von Schafen als
Tröpfcheninfektion eingeatmet, obwohl der
syl-
vatische Zyklus
über Zecken als Vektoren läuft
(
M
aurin
&
R
aoult
1999).
Borrelia
-Arten sowie
Rickettsien und FSME-Viren werden über die
saugende Zecke durch den Speichel, der in den
Wirt injiziert wird, auf ihn übertragen (
N
uttall
et
al. 2000). Der Speichel beinhaltet verschiedene
Substanzen, die z.B. eine immunosuppressive
(Immunsystem hemmende) bzw. immunomo
dulierende (Immunsystem beeinflussende) Wir-
kung haben (
W
ikel
1999). Sind die Wirtsart und
das Wirtsindividuum für das Pathogen empfäng-
lich, vermehrt sich dieses in ihm und kann von
einer anderen Zecke während ihrer Blutmahl-
zeit wieder aufgenommen werden (
L
abuda
et al.
1997,
N
uttall
et al. 2000). Selten, z.B. bei FSME
und
Borrelia burgdorferi
s.l., geben infizierte
weibliche Zecken die Infektion direkt an ihre Eier
weiter und damit an die Larven, die aus ihnen
schlüpfen (
K
urtenbach
et al. 1995,
L
indquist
&
V
apalahti
2008). Sobald eine Zecke infiziert ist,
trägt sie diese Infektion bei allen hier behandel-
ten Erregern auch in ihrem nächsten Entwick-
lungsstadium.
Doppelinfektionen von Zecken mit zwei oder
mehreren verschiedenen Erregern sind mög-
lich.
Ixodes ricinus
z.B. kann mit einer
Borrelia
sp. und FSME oder
Anaplasma phagocytophilum
Abbildung 5. Das von
O
stfeld
et al. verwendete Modell zur Beziehung verschiedener Einflüsse in einem Eichenwald
im Nordosten der USA. Ein Mastjahr führt zu einer erhöhten Anzahl von Zecken, was wiederum 1,75 Jahre später
das Risiko des Menschen, mit Borrelien infiziert zu werden, erhöht (aus
O
stfeld
et al. 1996).