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Carolinea 71

(2013)

K

nispel

1908). Die heutigen Zuchtlinien sind hin-

gegen entweder in Bezug auf die Legeleistung

oder in Bezug auf den Mastertrag stark spezia-

lisiert und beschränken sich weltweit auf wenige

Ausgangsrassen. Zum Beispiel gehen alle wirt-

schaftlich genutzten Hühner, deren Eier eine wei-

ße Schalenfarbe haben, auf eine einzige Rasse,

die Rasse Weißes Leghorn, zurück (

C

rawford

1990). Auf der Roten Liste der Gesellschaft zur

Erhaltung alter und gefährdeter Haustierras-

sen e.V. (GEH) werden mittlerweile 16 früher in

Deutschland weit verbreitete Hühnerrassen als

gefährdet geführt, vier davon als extrem gefähr-

det. Dazu zählt auch das Augsburger Huhn aus

dem Formenkreis der Kronenkammhühner. Dies

ist die einzige in Bayern erzüchtete Hühnerrasse,

die dort und auch im südlichen Schwarzwald bis

in die 1950er Jahre weit verbreitet war. Im Jah-

re 2009 hingegen gab es davon in Deutschland

nur noch 17 Zuchten mit 289 Hennen und 64

Hähnen (Bundesanstalt für Landwirtschaft und

Ernährung, Zentrale Dokumentation Tiergene-

tischer Ressourcen in Deutschland).

Die alten Rassen sind Ergebnis eines langen

Entwicklungsprozesses, über Generationen und

Jahrhunderte gezüchtet. Daher bedeutet das

Aussterben von Rassen nicht nur den Verlust an

genetischer Vielfalt, sondern auch eines Teils un-

serer Kulturgeschichte, haben diese alten Ras-

sen doch vielfach das Bild der Kulturlandschaft

geprägt, den Menschen jahrhundertelang be-

gleitet und vor allem auch ernährt. Zeigen lässt

sich das an zahlreichen kulturhistorischen Doku-

menten, sowohl in Buchillustrationen als auch in

der darstellenden Kunst, hier vorgestellt am Bei-

spiel der Kronenkammhühner und an Hand von

Werken, die bis in das 13. Jahrhundert zurück-

reichen. Gleichzeitig lässt sich so mit dem auf-

fälligen und seltenen Kronenkamm als „Marker“

auch die Ausbreitungsgeschichte von Nutztieren

nachverfolgen.

2 Die Haushühner

Das Haushuhn (

Gallus domesticus

) gehört zur

Ordnung der Hühnervögel (Galliformes), zur

Unterfamilie der Fasanen (Phasianinae) und zur

Abbildung 1. In Zuchtstationen registrierte Hühnerrassen in Deutschland um 1907 (nach

K

nispel

1908, aus

W

eigend

2008). Schwarze Schrift: Rassen sind inzwischen ausgestorben, rote Schrift: vom Aussterben bedroht.