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Carolinea 71

(2013)

nannter Arten ihr Geschlecht nicht miteinander

vermehren.“ (

B

uffon

1776

).

Die Rassegeflügelzucht erfuhr erst nach 1850 in

Europa durch die Gründung nationaler Geflügel-

zuchtvereine einen Aufschwung. Deren Dachor-

ganisationen erstellten unabhängig voneinander

nationale Rassestandards. Auch bei fast allen

anderen Haustieren wie bei den Tauben, Enten,

Kaninchen, Schafen, Hunden, Rindern und Pfer-

den nahm die Entwicklung hin zur Rassetier-

zucht einen ähnlichen Verlauf. Die betroffenen

Zuchttiere wurden im Zuständigkeitsbereich des

Standards einheitlich bewertet, und die einmal

definierte Rasse bekam mit zunehmender Ge-

nerationenfolge ein entsprechend einheitliches

phänotypisches Erscheinungsbild.

3 Die Kronenkammhühner

In der Systematik der Hühnerrassen zählen die

sogenannten Kronenkammhühner zu den Hau-

benhühnern. Diesen Rassen sind Veränderungen

im Kopfbereich gemeinsam, die in unterschied-

lichem Ausmaß haubenförmige Kopffedern, eine

Auftreibung des Schädeldachs und das Fehlen

des Nasenbeins betreffen (Abb. 2). Dies ist ei-

gentlich eine pathologische Erscheinung, die in

ähnlicher Weise auch bei Tauben und Hausenten

auftritt (

R

equate

1959). Die wild lebenden Vorfah-

ren der Haushühner hatten sicher nicht die Anla-

gen für Haubenbildung. Dafür ist nach

R

egenstein

(1981) ein einziges Gen, das mit Cr bezeichnet

wird, verantwortlich, das gleichzeitig nebenVerän-

derungen am Nasenbein und Schädeldach auch

eine Verdoppelung des Kamms bewirken kann.

Dieses Gen ist eigentlich das Resultat einer Ver-

lustmutation, die aber im Laufe der Jahrhunderte

mit den jeweils gegebenen züchterischen Mitteln

gefestigt worden ist. Die bekanntesten Vertreter

dieser Gruppe, die alle diese Anlage Cr tragen,

sind Holländische Weißhauben, Paduaner, Sul-

tanshühner oder aber die Augsburger Hühner mit

ihrem Kronen- oder Becherkamm, denen aber die

Haubenbildung mittlerweile abgeht, während die

zu ihrer Erzüchtung benutzten Rassen nur noch

einen Schopf als Hauben-Überbleibsel haben.

Die aufgeworfenen und vergrößerten Nasen­

löcher sind aber noch zu erkennen.

Der Deutsche Rassegeflügel Standard

(1984)

definiert den Kronenkamm wie folgt: „Aufrecht-

stehend, beginnt am Schnabel einfach, teilt

sich nach der ersten oder zweiten Kammzacke

zu einem becherförmigen, kronenartigen, ge-

zackten Doppelkamm. Beide Kammteile sollen

so geformt sein, dass der dadurch entstehende

Becher hinten geschlossen erscheint.“

4 Die Rassen

4.1 Das Augsburger Huhn

Eine der seltenen Hühnerrassen, deren Herkunft

bislang klar belegt erschien, ist das Augsburger

Huhn: Der Haunstetter Hühnerzüchter

J

ulius

M

ayer

kreuzte 1870 einen La Flèche-Hahn, ei-

ner sehr alten französischen Rasse, mit einer

Lamotte-Henne, einer inzwischen ausgestor-

benen schwarzen italienischen Rasse, und er-

zielte Hühner, deren auffallendes Merkmal ein

schöner großer Becherkamm war. Bei der Na-

mensgebung seiner neuen Rasse dachte

M

ayer

zunächst an ein Mayer-Huhn, dann an ein Haun-

stettener Huhn, entschied sich dann aber für das

nahe gelegene Augsburg und so für den Namen

Augsburger Huhn.

In älteren Beschreibungen (

W

itzmann

& Z

urth

1954) wird das Augsburger Huhn wie folgt cha-

rakterisiert: „ist ein stattliches, wetterhartes Huhn

von deutschem Landhuhn-Typ. Es entstand um

1880 in der Gegend von Augsburg. Bei dieser

Kreuzung kam als Neubildung der auffallende

Kronenkamm zustande. Auch im Schwarzwald

wurden sie gezüchtet und dort 1882 als bäuer-

liches Nutzhuhn anerkannt. Sie sind frühreife

Legehühner, die auch im Winter gut legen und

Abbildung 2. Schnitt durch den Schädel eines Pol-

nischen Haubenhuhns (A). Dem stellt

D

arwin

den

Schädel eines Cochin-Huhns gegenüber, um die pa-

thologischen Veränderungen der Schädelform der

Haubenhühner zu zeigen (B) (aus

D

arwin

1868

).