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Carolinea 71

(2013)

mehrt. Seine Versuche und Untersuchungen zur

Sexualität der Pflanzen weitet er stetig aus und

veröffentlicht die Ergebnisse in zahlreichen Auf-

sätzen und Einzelartikeln in St. Petersburg oder

Mannheim.

Leider hat er seine Ergebnisse nie zusammen-

fassend publiziert, sodass es bisweilen schwer-

fällt, seine Methoden und Ergebnisse als Ge-

samtheit zu erkennen und dementsprechend zu

würdigen.

1775 heiratet

K

oelreuter

K

aroline

A

uguste

S

üss

,

die Tochter eines Hofrats und Landschreibers.

1776 erfolgt der Umzug in das eigene Haus in

der Kronenstraße. Hier hat er aber keinen Gar-

ten mehr zur Verfügung und ist bei seinen Versu-

chen auf Topfpflanzen angewiesen. Im Lauf der

Jahre werden dem Ehepaar sieben Kinder gebo-

ren, von denen ihn vier überleben. Am Hofleben

nimmt er weiterhin teil und genießt dort hohes

Ansehen. Allerdings ist er häufig krank und geht

1791 in Pension, was seine finanzielle Lage in

der unruhigen Zeit der Französischen Revolution

zunehmend belastet. Als 1801 seine Frau stirbt,

gerät er in finanzielle Not. Zwar erhält er neben

seiner Karlsruher Pension auch Naturalien und

eine Rente aus St. Petersburg, doch muss ihn

der Hof manchmal noch zusätzlich unterstüt-

zen. Im Jahr seiner Ernennung zum Oberhofrat

(1805) verbessert sich seine finanzielle Situation

für kurze Zeit. Am 11. November 1806 erliegt er

einer schweren Lungenkrankheit.

Eine ausführliche Würdigung von Leben und

Werk

K

oelreuter

s ist im Band 11 der Verhand-

lungen des Naturwissenschaftlichen Vereins

Karlsruhe erschienen (

B

ehrens

,

1894), Sie diente

auch als wesentlicher, biografischer Fundus für

diesen Aufsatz.

3 K

oelreuter

s wissenschaftliche Bedeutung

Das bleibende, wissenschaftliche Verdienst von

J. G. K

oelreuter

liegt darin, dass er planvoll Ver-

suchsreihen durchführte, mit denen er zweifels-

frei beweisen konnte, dass und wie bei Pflanzen

eine Vermehrung auf sexuellem Wege stattfin-

det. Seine Experimente bei der Kreuzung von

Pflanzen führten zu makroskopisch sichtbaren

Ergebnissen, die er durch mikroskopische Unter-

suchungen untermauerte. Bei diesen konnte er

wichtige Einzelheiten u.A. über den Bau der Pol-

lenwand und die Funktion des Pollenschlauches

aufklären. Seine nach genauer Beobachtung

gezogenen Schlussfolgerungen waren großen-

teils ihrer Zeit weit voraus. Sie können für die

moderne Botanik als der Beginn genetischer

Erkenntnis und blütenökologischer Einsichten

angesehen werden. Bis zu seinen Ergebnissen

war nicht nachgewiesen, dass es wie bei Tieren

auch bei Blütenpflanzen Sexualität gibt, die aus-

schlaggebend für die Vererbung ist.

K

oelreuter

zeigte, dass, wenn die Narbe als weibliches

Geschlechtsorgan durch den männlichen Pol-

len befruchtet wird, sowohl Eigenschaften der

weiblichen als auch der männlichen Pflanze in

die nächste Generation weitergegeben werden.

W

enn der Blütenstaub von den männlichen

Staubgefäßen auf die weibliche Narbe der Blü-

te gelangt, geht aus dem dann entstehenden

Samen später eine Pflanze hervor, die sowohl

Merkmale der Mutterpflanze als auch des vä-

terlichen Pollenspenders aufweist. Er erkannte,

dass die Pflanzen der ersten Folgegeneration

sich morphologisch und genetisch gleichen, was

G

regor

M

endel

erst etwa 100 Jahre später mit

der Ersten

M

endel

schen Regel, dem Uniformi-

tätsgesetz, erneut herausfand.

K

oelreuter

darf

also mit Fug und Recht als der Begründer der

botanischen Genetik bezeichnet werden.

Nachdem er durch seine Versuche mit Pflanzen-

bastarden den Nachweis erbracht hatte, dass es

bei den Blütenpflanzen eine sexuelle Trennung

und Differenzierung gibt, suchte er nach den We-

gen der Befruchtung in der Blüte. Zwar hatte in

Tübingen schon 1691

R

udolf

J

acob

C

amerarius

(1665-1721) zeigen können, dass nur nach einer

Bestäubung der Narben mit Pollen auch Samen

reifen können und dass ohne Bestäubung keine

Samen entstehen. Aber die Erkenntnis, dass mit

dem Pollen auch die Eigenschaften des „Vaters“

auf die Nachkommen der „mütterlichen“ Pflanze

weitergegeben werden, ist

K

oelreuters

Nachfor-

schungen zuzuschreiben.

Für den Transportweg des Pollens zur Narbe un-

terschied

K

oelreuter

drei Wege:

Selbstbestäubung in der Blüte, „ohne fremde

oder äußerliche Beyhülfe, ganz allein“.

Bestäubung durch Pollen, der durch Wind von

anderen Blüten verfrachtet wurde.

Bestäubung in Blüten und zwischen Blüten u.a.

durch Insekten.

Bei der Selbstbestäubung ging

K

oelreuter

da-

von aus, dass sie erst dann eintritt, wenn keine

Insekten zur Verfügung stehen. Bei der Fremd-

bestäubung durch Wind, Insekten oder den Men-

schen zeigte er, dass die Herkunftspflanze für

die Nachkommen die entscheidende Rolle spielt.

Er erkannte auch, dass für die Selbstbestäubung