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ietschel

: J

oseph

G

ottlieb

K

oelreuter

,

Botaniker

17

ren“, und den Gärtnern ist alles Nötige zu diesen

Gehölzen mitzuteilen.

K

oelreuter

soll botanische Forschungen betrei-

ben, wobei ihm sämtliche Gärtner unverdrossen

zur Hand gehen sollen. Die Themen- und Pflan-

zenauswahl für seine botanischen Studien bleibt

ihm selbst überlassen, und er ist vom allgemei-

nen Gärtnereibetrieb, der Anlage, Einteilung und

Pflege der Gartenanlagen und den anderen gärt-

nerischen Tätigkeiten enthoben.

Wie liberal dieser Anstellungsvertrag angelegt

ist, zeigt eine Vereinbarung, nach der sich ggf.

aus dem Vertrag ergebende Meinungsverschie-

denheiten von beiden Seiten dem Fürstlichen

Hofgericht vorzutragen sind, dessen Urteil auch

der Markgraf nicht anfechten soll. Ferner enthält

der Vertrag eine gegenseitige Kündigungsmög-

lichkeit mit dreimonatiger Frist zum Jahresende.

Die Besoldung ist auf 600 Gulden und 50 Gulden

Mietzuschuss festgelegt.

Gleichwohl sind große Ansprüche mit dieser

Anstellung verbunden. Nicht nur die Verant-

wortung für den Aufbau des Arboretums hinter

dem Schloss (dem heutigen Schlosspark) wird

K

oelreuter

übertragen, sondern auch die Ver-

antwortung für den, nach Ideen des Markgrafen

geplanten, pomologischen Garten, in dem auch

neue Obstsorten zu züchten sind. Er muss zu-

dem die in der Vergangenheit untereinander

zerstrittenen Gärtner anleiten. Für seine For-

schungen wird ihm aber völlige Freiheit bei der

Wahl von Objekten und Themen gewährt. Mit der

Anstellung des 30-Jährigen in Karlsruhe verbin-

den sich große Hoffnungen.

Leider haben diese Erwartungen auf der mensch-

lichen Seite schlechte Voraussetzungen. Die bis

1762 wegen Ressortzuständigkeiten völlig zer-

strittenen Gärtner, insbesondere Obergärtner

S

aul

und Hofgärtner

M

üller

, vereinen nun ihre

Kräfte gegen den neuen Vorgesetzten, lassen

K

oelreuter

s Versuchspflanzen verkommen und

intrigieren auf vielfältige Art und Weise. Mit dem

Obergärtner wird bald jede Zusammenarbeit

unmöglich. Schließlich muss bereits 1767 der

Markgraf eingreifen. Er entscheidet, dass

K

oel

­

reuter

eigene Versuchsbeete erhält, dass für

den Winter Vorsorge für seine Pflanzen zu treffen

ist und dass ihm, statt der Gärtner, ein Taglöhner

zur Pflege seiner Pflanzen zugewiesen ist. Ob-

wohl „Serenissimus aller solcher Händel müde“

ist und befiehlt, „sich auf geziemende und dem

herrschaftlichen Dienst gemässe Art miteinander

zu comportieren“, kommt es Anfang 1769 zum

endgültigen Bruch. Der Schikanen und üblen

Nachreden des Obergärtners

S

aul

überdrüssig,

betritt

K

oelreuter

in gekränkter Eitelkeit den Bo-

tanischen Garten von 1769 bis 1784 nicht mehr.

Seine exotischen Versuchspflanzen zieht er

von

1768 bis 1776 selbst aus Samen im Garten sei-

nes Vermieters Hofschlosser

H

ugenest

in der

Waldhornstraße. Die fürstlichen Gartenanlagen

verfallen „in Folge der Zänkereien unter den

Gärtnern mehr und mehr“ bis sie „mehr einem

Gemüsegarten zur Nutzniessung des Obergärt-

ners als einem fürstlichen Hofgarten“ gleichen

(

B

ehrens

, 1894). Nach dem Tod der Markgräfin

(1783) werden die Gärten vom 1785 neu beru-

fenen Direktor des Botanischen Gartens und

Direktor des Markgräflichen Naturalienkabinetts

(heute: Staatliches Museum für Naturkunde)

C

arl

C

hristian

G

melin

(1762 -1837)

neu einge-

richtet und verwaltet.

Zweifellos trifft

K

oelreuter

an einigen der Streite-

reien eine Mitschuld, denn er gilt als empfindlich,

reizbar, leicht beleidigt wie auch gelegentlich be-

leidigend und eitel. Er hat nicht nur mit den Gärt-

nern, sondern auch mit seinem Vermieter Ärger

und Streit. Bei Hofe ist er allerdings gerne gese-

hen. Er berät die Markgräfin in botanischen Fra-

gen bei der Vorbereitung eines Kupferstichwerkes

zu

L

inné

s „Systema Naturae“ und lässt sich von

ihr zu botanischen und entomologischen Unter-

suchungen anregen. Als der Markgraf 1764 eine

ökonomische Gesellschaft gründet, wird er eines

der eifrigsten Mitglieder. Er trägt dort zu Fragen

der Forstwirtschaft, der Physik, der Meteorologie,

der Landwirtschaft und des Gartenbaus vor. Mit

Geheimrat

R

einhard

bemüht er sich um die Ver-

edelung von Apfelsorten und klärt Irrtümer auf,

die sich bei Versuchen zu neuen Kartoffelsorten

einstellen. Der Markgraf setzt große Hoffnungen

in ökonomische Verbesserungen und schlägt

deshalb in der ökonomischen Gesellschaft zahl-

reiche Versuche und wissenschaftliche Preisauf-

gaben vor. Unter anderem sollen Studien über

die Blütezeit und die Bodenansprüche von Un-

kräutern helfen, diese auszurotten, und Flachs

soll unter dem Aspekt gezüchtet werden, mög-

lichst langstielige Pflanzen zu erzielen.

K

oelreuter

s Kontakte zu Fachkollegen reißen

in Karlsruhe nicht ab. Er korrespondiert mit den

Botanischen Gärten in Leipzig, St. Petersburg

und Schwetzingen, gibt Ratschläge, nach denen

Pollen in Tütchen verschickt werden soll, was so-

gar zu einer erfolgreichen Zapfenbildung eines

Palmfarns in St. Petersburg durch Pollen einer

männlichen Pflanze in Leipzig führt. Es werden

erfolgreich seltene Arten befruchtet und ver-