
R
ietschel
: J
oseph
G
ottlieb
K
oelreuter
,
Botaniker
15
(cum icone)
] in Medizin promoviert. Vermutlich
empfiehlt ihn noch sein Mentor J. G.
G
melin
,
der
am 20. Mai 1755 verstirbt, nach St. Petersburg.
In St.Petersburg findet
K
oelreuter
1756
zunächst
eine Anstellung als Adjunkt an der Kaiserlichen
Akademie für Naturgeschichte. Er beschäftigt
sich in den folgenden Jahren hauptsächlich mit
zoologischen Studien, ordnet die Sammlungen,
bestimmt und beschreibt wissenschaftlich die
dort vorhandenen Fische, darunter neue Arten
wie einen Mondfisch und mehrere Dorscharten.
Ferner untersucht und beschreibt er Korallen,
Polypen, Ruderfußkrebse, Vögel, Insekten und
eine Alge.
Anlässlich einer von der Zarin
K
atharina
der
Großen ausgeschriebenen Preisaufgabe be
ginnt er 1759 mit ersten Kreuzungsversuchen
bei Pflanzen. Bei diesen orientiert er sich zu-
nächst an der äußeren Ähnlichkeit von Blüten.
Er kreuzt verschiedene Malvengewächse mitein
ander, so die Stundenblume (
Hibiscus trionum
)
mit Baumwolle (
Gossypium herbaceum
) und mit
Scharlachrotem Flügelsamen (
Pentapetes phoe-
nicea
) sowie zwei Nachtschattengewächse, die
Blasengiftbeere (
Nicandra physaloides
) mit der
Lampionblume (
Physalis alkekengi
). Schon 1760
stellt sich bei einem seiner Kreuzungsversuche
mit zwei Tabak-Arten ein erster Erfolg ein, und er
gewinnt die Preisaufgabe. Damit beginnen seine
konsequenten Untersuchungen zur Sexualität
der Pflanzen.
Im Sommer 1761 verlässt
K
oelreuter
Russland
und reist über Berlin und Leipzig in die Heimat.
Bei dieser Gelegenheit besucht er in Berlin
J
o
-
hann
G
ottlieb
G
leditsch
und in Leipzig
C
hristian
G
ottlieb
L
udwig
, beide zu ihrer Zeit berühmte Bo-
taniker, die sich ebenfalls mit der Kreuzung von
Pflanzen beschäftigen und erstmals am Beispiel
von Palmen die Befruchtung durch Pollen expe-
rimentell nachweisen. Die Kreuzungsversuche
und die sich aus ihnen ergebenden Forschungen
bleiben nun
K
oelreuter
s Hauptinteresse, dem
er zunächst in Sulz und ab dem Herbst 1762 in
Calw nachgeht.
In Calw lebt der mit ihm wohl seit der Tübinger
Zeit befreundete
J
oseph
G
ärtner
(1732 -1791),
ebenfalls
Arzt und Botaniker, Professor für Ana-
tomie in Tübingen, von 1768 bis 1770 Profes-
sor für Botanik und Direktor des Botanischen
Gartens in St. Petersburg.
G
ärtner
widmet sich
hauptsächlich der Erforschung von Samen und
Früchten, der „Carpologie“, über die er ein um-
fassendes Werk mit der Beschreibung von mehr
als 1000 Früchten und Samen verfasst. Als Gast
von
G
ärtner
führt
K
oelreuter
in dessen Garten
seine in St. Petersburg begonnenen Versuche
zur Bastardisierung von Pflanzen fort
.
1761 wird
er – ohne Lehrverpflichtung – zum Herzoglich
Württembergischen Professor der Naturge-
schichte ernannt.
Die entscheidende Wende im Leben von
K
oel
-
reuter
tritt vor 250 Jahren ein: Markgraf
K
arl
F
riedrich
von
B
aden
-D
urlach
beruft ihn mit einem
auf den 11. November 1763 datierten Vertrag
als „Fürstlichen Rath und Professor der Natur-
geschichte“ nach Karlsruhe, wo
K
oelreuter
am
23. Januar 1764 als Aufseher und Direktor der
Fürstlichen Gärten seine Arbeit beginnt. Der Bo-
tanische Garten in Karlsruhe, unter dem Stadt-
gründer Markgraf
K
arl
W
ilhelm
ab 1717 geplant
und eingerichtet, ist damals einer der größten
und reichhaltigsten in Europa. Durch die 1733
und 1747 erschienenen Pflanzenverzeichnisse
ist belegt, dass seinerzeit etwa 2000 Arten im
„Hortus Carlsruhanus“ kultiviert werden. Aller-
dings gibt es um 1760 durch Misswirtschaft der
Gärtner besonders bei seltenen Arten bedauer-
liche Ausfälle. Markgraf
K
arl
F
riedrich
und Mark-
gräfin
C
aroline
L
ouise
, beide sehr der Botanik
zugeneigt, versprechen sich von der Anstellung
K
oelreuter
s offenbar nicht nur eineVerbesserung
der fürstlichen Gärten, sondern auch Nutzen für
die Landwirtschaft. Insbesondere der Markgraf
ist Anhänger der „physiokratischen Lehre“ des
Franzosen
F
rancois
Q
uesnay
, in der die Landwirt-
schaft als wichtigste Grundlage für das Wohler-
gehen des Staates angesehen wird. Als bedeu-
tender Vertreter dieser Schule in Frankreich lässt
der Marquis
V
ictor de
M
irabeau
1772 sogar einen
Artikel des badischen Markgrafen mit dem Titel
„Abrégé des principes de l‘économie politique“
in Paris drucken. Pflanzenanbau als Grundlage
eines prosperierenden Staates erfordert nicht
nur botanische Kenntnisse, sondern auch wis-
senschaftliche Forschungen, die zur Entstehung
neuer Rassen und Arten beitragen sollen. So fin-
det
K
oelreuter
in Karlsruhe die besten Voraus-
setzungen für seine wissenschaftlichen Arbeiten
vor. Zwar gibt es von gärtnerischer Seite her in
England schon etwa seit 1700 erfolgreiche Kreu-
zungsversuche an Gartenpflanzen, aber sie ent-
behren einer wissenschaftlichen Grundlage und
systematischen Absicherung.
Markgraf
K
arl
F
riedrich
und ganz besonders
Markgräfin
C
aroline
L
ouise
zeigen bei ihrem In-
teresse an den Naturwissenschaften eine be-
sondere Vorliebe für die Botanik. Beide fördern
die Naturwissenschaften gerade im Hinblick auf