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Carolinea 71

(2013)

Naturkunde (KR) deponiert. Sämtliche Daten

werden ab 2014 über ein Portal der Pilzdaten-

bank des SMNK einsehbar sein und der wissen-

schaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

3 Wissenschaftliche Ziele

Wissenschaftliches Ziel ist es zunächst, eine

möglichst vollständige Artenliste zu erstellen und

die Bedeutung von Bannwäldern für den Erhalt

seltener Arten zu ermitteln. Schwerpunkt der

Untersuchungen werden Pilze sein, die als Pa-

rasiten, Saprobionten oder Symbionten mit der

Weiß-Tanne (

Abies alba

) assoziiert sind. Die Po-

pulationen der Weiß-Tanne sind durch die Forst-

wirtschaft, die die Gewöhnliche Fichte (

Picea

abies

) favorisierte, seit Jahrhunderten im Rück-

gang begriffen. Hinzu kommt, dass Buche und

Tanne aufgrund des Wildverbisses nur schwer zu

verjüngen sind. Geplant ist eine Buchpublikation

mit einer Bewertung der Pilzflora, einer kommen-

tierten und illustrierten Artenliste und ein spezi-

elles Kapitel der mit

Abies

assoziierten Pilze.

Mittel- und langfristig könnte das Gebiet für myko-

logische Langzeitstudien, ökologisch-floristische

Vergleichsuntersuchungen (z.B. mit ähnlich an-

gelegten Probeflächen in den Nationalparken

Bayerischer Wald und Harz), unter Einsatz vor

allem molekularer Methoden, taxonomische Stu-

dien (z.B. im BMBF-Projekt „German Barcode

of Life (GBOL)“

https://www.bolgermany.de/

),

„Hidden Diversity“ sowie populationsbiologische

Untersuchungen von Mykologen und Ökologen

verschiedener Fachrichtungen genutzt werden.

Eine weitere Grundlage für derartige Studien wä-

ren die bereits vorhandenen Belegsammlungen

am Karlsruher Pilzherbarium.

4 Öffentlichkeitsarbeit

Die Öffentlichkeit soll durch die Buchveröffentli-

chung, populärwissenschaftliche Vorträge, my-

kologische Führungen durch das Gebiet, Ein-

zelpublikationen sowie eine Ausstellung nach

der dreijährigen Anfangsphase über das Projekt

informiert werden.

5 Tannenpopulation und pilzliche Diversität

Die Idee zu einer Inventarisierung des Gebiets

entstand nach einer ersten kurzen Begehung im

Rahmen eines Betriebsausflugs der Angestell-

ten des Naturkundemuseums Karlsruhe im Sep-

tember 2012. Ausschlaggebend war ein Fund

des in Deutschland aktuell nur noch in wenigen

Regionen des Schwarzwaldes belegten Rost-

pilzes

Thekopsora goeppertiana

(J. G. K

ühn

) H

i

-

rats

.

f

.

(

Pucciniastrum goeppertianum

(K

uehn

)

K

leb

.

,

Calyptospora goeppertiana

J. G. K

ühn

).

Es handelt sich hierbei um eine der zahlreichen

wirtswechselnden Arten, die die Weiß-Tanne als

Zwischenwirt (Aecienwirt) für die Bildung der

Sporenstadien 0 (Spermogonien) und I (Aecien)

auf den Nadeln nutzen. Die Aeciosporen der Art

werden von Juli bis September durch den Wind

auf die benachbarten Preiselbeeren (

Vaccini-

um vitis-idaea

), den Hauptwirt (Telienwirt) der

Art, übertragen, keimen aus und dringen über

die Spaltöffnungen in das Pflanzengewebe ein.

Im folgenden Jahr wird die Infektion durch An-

schwellung der Triebe, Zwergwuchs der Blätter,

und verstärktes Längenwachstum und Ausblei-

ben der Blütenbildung sichtbar. Die angeschwol-

lenen Bereiche sind sehr augenfällig, da sich der

verlängerte Stängel verdickt und rötlich bis dun-

kelrotbraun verfärbt. In diesen Verdickungen wer-

den Telien (III) gebildet. Teliosporen dienen der

Überdauerung und werden in den Epidermiszel-

len der Preiselbeere gebildet. Zusätzlich vermag

der Pilz als Mycel imTelienwirt zu überdauern. Im

Frühjahr keimen die Teliosporen nach der Meio-

se mit Basidien (IV) und bilden Basidiosporen,

die nun die diesjährig gebildeten Tannennadeln

infizieren. Bei den meisten wirtswechselnden Ar-

ten wird zusätzlich ein Stadium II (Uredien) gebil-

det, deren Uredosporen wiederum eine Infektion

von Telienwirt zu Telienwirt ermöglichen. Dies er-

möglicht eine Ausbreitung der Art allein bei Vor-

handensein des Telienwirts und damit ohne den

Aecienwirt. Dies ist nicht möglich bei

Th

.

goep-

pertiana

, der die Uredien fehlen. Somit sind nicht

nur für die Rekombinationsprozesse, sondern

auch für den Erhalt der Art eine stabile Popula-

tion von Aecien- und Telienwirt, d.h. Tanne und

Preiselbeere in enger räumlicher Nachbarschaft,

vonnöten.

Th

.

goeppertiana

wurde bis Septem-

ber 2013 in vier verschiedenen Populationen auf

V

.

vitis-idaea

beobachtet (Abb. 3 oben), einmal

auch (September 2013) auf

Abies

-Nadeln (direkt

darunter mit befallener

V. vitis-idaea

; Abb. 3 un-

ten). Die letzte Beobachtung der Art auf

Abies

aus Deutschland stammt aus Tomerdingen bei

Ulm und liegt Jahrzehnte zurück (

D

oppelbaur

et

al. 1970). Dies zeigt die Besonderheit des Fundes

vom Wildsee.