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urmeister

et al.: Akzeptanzmanagement

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werden können. So können Vorbehalte auch auf

der kommunikativ angemessenen zwischen-

menschlichen Ebene entschärft werden. Bei In-

formationsveranstaltungen im Saal ist das nicht

so leicht möglich: Viele kommen hier nicht zu

Wort, andere tragen ihre Anliegen scharf vor, so

dass darauf kaum angemessen reagiert werden

kann. Es ist aber wichtig, nicht nur auf fachliche

Inhalte, sondern auch auf Emotionen passend

eingehen zu können. Dazu muss die Begeg-

nungsebene geeignet sein.

Ein weiteres wesentliches Element der Akzep-

tanzarbeit ist die Präsenz der Behörde in Bespre-

chungen mit den vom Schutzgebiet betroffenen

Landnutzern (Obst- und Gartenbauvereine,

Landwirte, Jäger, Forstwirte) und in den kom-

munalen Gremien (Ortschaftsrat, Umweltaus-

schuss, Gemeinderat). Es gibt zu denken, dass

die Bürger häufig angenehm überrascht sind,

wenn sich die Behörde vor Ort begibt und das

offene, konstruktive Gespräch sucht. Nicht selten

führt dieses Vorgehen dazu, dass die Landnutzer

sich aktiv und naturschutzorientiert in die Pflege

und Weiterentwicklung des Gebiets einbringen.

Dass innerhalb eines Naturschutzgebietes

grundsätzlich Bestandsschutz besteht, die Ei-

gentümer also rechtmäßig ausgeübte Nutzungen

in aller Regel auch weiterhin ausführen können,

sollte eine wichtige Mitteilung während der Ge-

bietsbegehungen sein. Die Einschränkung eige-

ner, vielleicht auch nur geplanter Aktivitäten ist

eine weit verbreitete Sorge. Wird dies bereits im

Vorfeld angesprochen und werden die tatsäch-

lich gegebenen Einschränkungen offen ange-

sprochen, verlieren viele Einwände gegen eine

Unterschutzstellung an Schärfe. Zusätzlich sollte

die Möglichkeit angesprochen werden, dass un-

ter gewissen, zu konkretisierenden Umständen

eine Befreiung von der Verordnung zu erhalten

ist. Dies zeigt, dass es sich nicht um unumstöß-

liche Einschränkungen handelt, die für alle Zeiten

streng befolgt werden müssen, sondern dass

„alles nicht so schlimm“ ist. Erst im Anschluss

daran ist es Vielen möglich, sich den Zielen des

Naturschutzes auf ihrem Grundstück überhaupt

zu öffnen.

Die hier vorgestellte, akzeptanzorientierte Ver-

fahrensweise führt dazu, dass im Rahmen der

Offenlage kaum noch Einwände der Bürge-

rinnen und Bürger zu erwarten sind. So wurden

beispielsweise im Verfahren „Streuobstwiesen

Kleingemünd“ (Gemeinde Neckargemünd,16 ha,

160 Flurstücke) in der Offenlage nur noch von

einem, im Verfahren „Sauersbosch, Pfrimmers-

bach- und Märzenbachtal“ (Stadt Baden-Baden,

90 ha, 1.676 Flurstücke) von sechs Eigentümern

Bedenken vorgetragen. Bei sorgfältiger, akzep-

tanzorientierter Vorbereitung ist das rechtlich in

§ 74 Naturschutzgesetz Baden-Württemberg

vorgegebene Verfahren völlig unproblematisch.

Als Ergebnis ist es nicht verwunderlich, dass

beide Schutzgebiete im Rahmen einer sehr er-

freulichen und allseits begrüßten Feierstunde

unterzeichnet wurden, zu der die Gemeinden

eingeladen hatten und die von der Bevölkerung

ebenfalls gut angenommen wurden.

3 Beispiele

Ein Beispiel für ein aktuell laufendes Schutzge-

bietsverfahren im Regierungsbezirk Karlsruhe ist

das seit 2012 geplante Naturschutzgebiet „Hil-

pertsau“ auf der Gemarkung der Stadt Gerns-

bach im Landkreis Rastatt (Gebietsbeschrei-

bung siehe

http://www.rp.baden

-wuerttemberg.

de/servlet/PB/menu/1192208/index.html). Grund

für die Überlegungen, in Hilpertsau ein Natur-

schutzgebiet auszuweisen, waren ganz andere

Pläne der Stadt, nämlich die Ausweisung eines

Baugebietes. Im Laufe der Untersuchungen

waren dort die Vorkommen mehrerer bedrohter

Fledermausarten entdeckt worden. Die durch-

geführten und rechtlich verbindlichen, vorgezo-

genen Ersatzmaßnahmen für die zu fällenden

Brutbäume waren aber von den Tieren nicht

angenommen worden. Somit benötigte die Stadt

Gernsbach eine artenschutzrechtliche Ausnah-

megenehmigung zur Fällung der Bäume. Stadt

und Regierungspräsidium einigten sich vertrag-

lich darauf, das Umfeld der Ausgleichs- und

Ersatzmaßnahmen im Sinne des Fledermaus-

Schutzes gemeinsam in einem Maß aufzuwerten

und rechtlich zu sichern, so dass kein vernünf-

tiger Zweifel mehr am Fortbestand der lokalen

Populationen bestehen konnte. Zusätzlich zu

den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen konnte

dadurch gewährleistet werden, dass das verblie-

bene Gebiet langfristig geschützt und entwickelt

und nicht nur den Fledermäusen, sondern vielen

weiteren schützenswerten Arten erhalten bleibt.

Somit erhielt Gernsbach sein Neubaugebiet, und

die Natur erhielt ein Naturschutzgebiet, in dem

die Lebensbedingungen für viele Arten über das

vor der Ausweisung des Baugebietes bestehen-

de Maß hinaus verbessert und rechtlich gesichert

werden. Das Schutzgebietsverfahren ist noch

nicht abgeschlossen. Die Kartierungsarbeiten