
Carolinea 71
(2013): 173-188, 7 Abb.; Karlsruhe, 16.12.2013
173
Zwei neue Naturschutzgebiete im
Regierungsbezirk Karlsruhe
C
hristoph
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&
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einhold
T
reiber
Kurzfassung
Auch 2013 konnten wieder neue Naturschutzgebiete
im Regierungsbezirk Karlsruhe ausgewiesen werden:
Das NSG
„Streuobstwiesen Kleingemünd“
ist ge-
prägt durch einen teilweise sehr alten, 16 Hektar gro
ßen Obstbaumbestand mit einem reichen Angebot an
Baumhöhlen und mulmigen Stammabschnitten sowie
das Fehlen intensiver Nutzungen. Sie zeichnen sich
durch das Vorkommen einer vom Aussterben bedroh-
ten Insektenart – des Körnerbocks
Megopis scabricor-
nis –
und weiterer in Baden-Württemberg gefährdeter
Tierarten aus, darunter der Wendehals (
Jynx torquilla
),
der Kleine Abendsegler (
Nyctalus leisleri
), das Große
Mausohr (
Myotis myotis
), die Breitflügel-Fledermaus
(
Eptesicus serotinus
) sowie die Sumpfschrecke (
Ste-
thophyma grossum
). Damit erfüllt das Gebiet die na-
turschutzfachlichen Kriterien eines landesweit be-
deutsamen Naturschutzgebietes. Über die aktuellen
Artvorkommen hinaus hat das Gebiet überregionale
Bedeutung als Trittsteinbiotop für wandernde Arten
und für Arten, deren Verbreitungsareal sich aktuell auf
Grund des Klimawandels verschiebt. Seine Gefähr-
dung liegt im Wegfall oder der Intensivierung der Mahd
und der Zunahme privater Nutzungen.
Das NSG
„Sauersbosch, Pfrimmersbach- und Mär-
zenbachtal“
blickt auf eine bewegte Kulturgeschichte
zurück und ist eng mit der Gründung der Zisterzien-
serinnen-Abtei des Klosters Lichtental im Jahr 1245
verbunden. Drei Bachtäler prägen das Gebiet, die
überregional bedeutende Lebensräume, Pflanzen- und
Tierarten aufweisen. Herausragend sind die großflä-
chigen Grünlandbiotope in sehr gutem Zustand. Diese
sind ausgebildet als Borstgrasrasen, Pfeifengras-Wie-
sen und Magerwiesen bzw. -weiden mittlerer Standorte
sowie die verschiedenen Offenlandbiotope feuchter bis
nasser Standorte, insbesondere Nasswiesen, Klein-
seggenriede basenarmer Standorte und Waldsimsen-
Sümpfe. Als Besonderheit kommt die Stein-Zwenke
(
Brachypodium sylvestre
) als dealpine Art im Gebiet
häufig vor. 25 Brutvogel-, sieben Fledermaus-, 71 Wild-
bienen-, 23 Heuschrecken- und 31 Tagfalter- und Wid-
derchen-Arten zeichnen das Gebiet aus. Faunistisch
bedeutend sind insbesondere die Fledermäuse mit der
Bechstein-Fledermaus (
Myotis bechsteinii
), die Tagfal-
ter mit dem letzten Vorkommen des Goldenen Sche-
ckenfalters (
Euphydryas aurinia
) im Regierungsbezirk
Karlsruhe und die Baumsaft-Schwebfliege
Brachyopa
bimaculosa
, die weltweit erstmals aus dem Gebiet
beschrieben wurde. Das Gebiet hat eine sehr große
Bedeutung für die Bewahrung der Artenvielfalt und
Lebensräume in sehr hoher Qualität und ist ein Mus
terbeispiel für die Schönheit und Eigenart einer durch
Wiesen geprägten Kulturlandschaft.
Abstract
Two new nature reserves in the district of
Karlsruhe
In 2013, two additional nature reserves could be al-
located in the district of Karlsruhe: The
reserve
„Streuobstwiesen Kleingemünd“
is characterized
by meadows and orchards on an area of 16 hectares,
located in Neckargemünd, a city near Heidelberg at the
river Neckar. The given habitats as well as the present
species of breeding birds, bats, bees, grasshoppers
and butterflies are reported. The area is of dominant in-
terest for nature conservation with respect of bats (e.g.,
Nyctalus leisleri, Myotis myotis, Eptesicus serotinus
)
birds (e.g., the snakebird
Jynx torquilla
) and insects
(e.g., the Longhorn Beetle
Megopis scabricornis
).
The
reserve „Sauersbosch, Pfrimmersbach- und
Märzenbachtal“
comprises the valleys of three small
creeks of the Black Forest on an area of 96 hectares.
It is characterized by meadows, orchards, and swamps
with
Eriophorum angustifolium
. The given habitats as
well as the present species of breeding birds, bats,
bees, grasshoppers and butterflies are reported. Rare
species are here
Anthus trivialis
as a breeding bird,
the bees
Ceratina chalybea, Osmia fulviventris
and
Rhopites quinquespinotus
, the butterfly
Euphydryas
aurinia,
the grasshoppers
Ptheronemobius heydenii,
Decticus verrucivorus
and
Stethophyma grossum
and
the Longhorn Beetle
Aegosoma scabricorne
. It is an
area of outstanding conservation interest.
Autoren
Dr.
C
hristoph
A
ly
, Regierungspräsidium Karlsruhe,
Referat 55 – Naturschutz, Recht, 76247 Karlsruhe,
Tel.: 0721-926-4362, E-Mail:
christoph.aly@rpk.bwl.de;R
einhold
T
reiber
, Im Westengarten 12, 79241 Ihringen,
Tel. 07668 / 95 14 40, E-Mail:
reinhold.treiber@gmx.de.Das Naturschutzgebiet „Streuobstwiesen
Kleingemünd“
Die „Streuobstwiesen Kleingemünd“ sind eine
ortsnahe, ca. 16 Hektar große Streuobstwiese
in Hanglage zum Neckar. Politisch gehört das
Gebiet zur Stadt Neckargemünd (Rhein-Neckar-
Kreis), naturräumlich zum Sandstein-Odenwald;
klimatisch profitiert es von der nur wenige Kilo-
meter entfernten Rheinebene. Lebensräume und